Sicherheit in der Sexarbeit
Sexarbeiter haben ein großes Sicherheitsrisiko. Dies ist nicht etwa ein Problem innerhalb von Treffen mit den Kunden. Nein, das größte Risiko und die größte Angst welche die meisten Sexarbeiter haben ist der Verlust der „Anonymität“. Wir können uns nur sicher fühlen und nur sicher arbeiten, wenn niemand in Besitz unserer persönlichen Daten gelangt. Sei es um uns vor Stalkern zu schützen, der aktuellen medialen Hetze zu entgehen, den „normalen“ Arbeitsplatz zu verlieren, die Wohnung zu verlieren, weil die Nachbarn oder Vermieter Vorurteile haben oder auch die Angst von alleinerziehenden Müttern davor, das ihre Tätigkeit als Sexarbeiterin dazu führt, das ihnen das Sorgerecht für ihre Kinder abgesprochen wird. Hinzu kommt ganz einfach das große Stigma, welches uns ein Teil der Gesellschaft auferlegt. Es ist wohl noch ein langer Weg, bis sich die meisten Sexarbeiter offen und frei zu ihrer Tätigkeit bekennen können.
Die Angst vor Verlust dieser Anonymität ist ein großes Problem. Denn wir haben zwar seit dem ProstG die Möglichkeit, unser Honorar einzuklagen, wir können legal in einem Bordell Zimmer mieten und dort arbeiten… aber was ist, wenn es wirklich mal nötig wird, rechtliche Schritte zu gehen? Dann schrecken die meisten zurück. Eben genau aus oben genannten Ängsten. Stellt man eine Anzeige bei der Polizei, muss man dort seinen Klarnahmen nennen. Kommt es zu weiteren Schritten wie Anwalt oder gar eine Gerichtsverhandlung, dann wird der Name spätestens dort dem Täter oder auch der Öffentlichkeit zugänglich. Und genau aus dem Grund, schrecken immer noch so viele von uns zurück ihr Recht offen einzuklagen. Hierbei ist egal, ob sie um ihr Honorar gebracht oder in einem Betrieb oder von einem Kunden schlecht behandelt wurden. DAS wissen natürlich auch diejenigen, die genau diese Angst ausnutzen. Selbst die Prostitutionsgegner spielen mit dieser Angst und nutzen die Tatsache aus, das sich nur sehr wenige von uns öffentlich wehren können.
Deswegen fände ich es sehr wichtig, wenn im Sinne des Schutzes der eigenen Person Sexarbeiter Gebrauch von einem Künstlernamen oder gar unter Schutz kompletter Anonymität bei Rechtsstreitigkeiten stehen könnten.
Auch wäre es wichtig, dass es für Sexarbeiter eine Ausnahme im Telemediengesetz gäbe.
Denn spätestens wenn eine absolut selbständig agierende Sexarbeiterin eine Webseite haben möchte, ist sie auf eine 2. Person angewiesen. Da heute das meiste über das Internet läuft, merken wir es hier am häufigsten. Denn es wird laut §5 im Telemediengesetz ein Impressum mit vollen Namen und Anschrift verlangt. Aber wer von uns kann schon seinen realen Namen samt Wohnanschrift dort angeben? Man ist quasi gezwungen, hierfür eine Adresse zu mieten, und da wird mittlerweile gerne auch abgezockt und horrende Summen für diese Sicherheit verlangt. Denn auch die Impressum-Geber wissen: Wir haben bei der aktuellen Rechtslage keine andere Wahl.
Wir brauchen und wollen ganz sicher KEIN Zwangsouting durch Registrierung, wie immer wieder gefordert.
Ebenso wäre es fatal, von Sexarbeitern eine Gewerbeanmeldung zu verlangen. Denn diese sind für jeden öffentlich im Gewerberegister einsehbar.
Also, liebe Politiker, macht euch doch bitte darum mal Gedanken:
Schutz durch im Personalausweis eingetragenen Künstlernamen (wie bei Journalisten, Autoren und Schauspielern auch), Schutz durch Wahrung der Anonymität in Rechtsstreitigkeiten und Ausnahmeregelung im Telemediengesetz zum Schutz der Sexarbeiter bei der Impressumpflicht!
Autor: Melanie, Sexarbeiterin