Schutz als Falle

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Von Franziska Funk
Analyse

 

Einleitung

Am 29.01.2019 forderte Doña Carmen e.V., ein in Frankfurt/Main ansässiger Verein, der sich für soziale und politische Rechte von Prostituierten einsetzt, in einem Offenen Brief an die Marburger Landrätin Kirstin Fründt, die Zuständigkeit des Sozialpsychiatrischen Dienstes im Gesundheitsamt für die seit Juli 2017 obligatorische Gesundheitsberatung von Sexarbeiter*innen umgehend einzustellen. Die Zuständigkeit des sozialpsychiatrischen Dienstes für die obligatorische Gesundheitsberatung einer ganzen Berufsgruppe sei ein Fall institutioneller Diskriminierung der davon Betroffenen.[1]

Dieses konkrete Beispiel zeigt, welche Diskriminierung gegenüber Sexarbeiter*innen im Zuge der Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) auf kommunaler Ebene erfolgen kann.

Das ProstSchG ist am 01.07.2019 in Kraft getreten. Nach Aussage des zuständigen BMFSFJ soll es Prostituierte schützen und sie in ihren Rechten stärken. Zu diesem Zweck umfasst das Gesetz achtunddreißig Paragrafen für Sexarbeiter*innen. Zwei der ihnen darin auferlegten Pflichten sind die regelmäßig zu wiederholende Gesundheitsberatung (§ 10 ProstSchG) sowie die behördliche Anmeldepflicht der Prostitutionstätigkeit (§ 3 ProstSchG). Im Zuge ihrer staatlichen Registrierung erhalten Sexarbeiter*innen eine Bescheinigung über die Erlaubnis zur Ausübung der Prostitution, die sie bei der Anbahnung als auch Ausübung ihrer Tätigkeit mit sich führen müssen.²

Das Gesetz wurde von der Opposition im Bundestag, von Fachverbänden wie beispielsweise dem Deutschen Juristinnenbund, der Diakonie etc. kritisiert. (vgl. Ziemann 2017 : 159ff.). Es wird befürchtet, dass die betroffenen Sexarbeiter*innen in die Illegalität gedrängt werden.

Mit Blick auf die bislang eher gering ausfallenden Anmeldezahlen von Sexarbeiter*innen erscheint diese Kritik durchaus plausibel. So erfolgten laut Statistischem Bundesamt (Stand 12/2017) im zweiten Halbjahr 2017 lediglich 6.959 Anmeldungen von geschätzt 200.000 hierzulande tätigen Sexarbeiter*innen. Und das, obwohl eine Nichtanmeldung als Ordnungswidrigkeit geahndet wird und letztlich zu einem Berufsausübungsverbot führen kann.

Damit stellt sich die Frage, ob das Gesetz die tradierte Stigmatisierung von Sexarbeit fortsetzt und ob das der Grund für die gering ausfallenden Registrierungsquoten ist.

Laut dem „Lexikon zur Soziologie“ von Fuchs-Heinritz bezeichnet eine Stigmatisierung „die Kategorisierung einer Person durch gesellschaftlich oder gruppenspezifisch negativ bewertete Attribute, d. h. durch Eigenschaften, die sie sozial diskreditieren.“ (Fuchs-Heinritz et. al., 1995 : 650)

Vor diesem Hintergrund lautet die Forschungsfrage dieser Hausarbeit:

Inwieweit fördert das Prostituiertenschutzgesetz und dessen Umsetzung auf kommunaler Ebene die Stigmatisierung von Sexarbeit?“

Meine Hypothese lautet: Der wesentliche Grund für die geringen Anmeldezahlen im Zuge der Umsetzung des ProstSchG ist die Angst der Betroffenen durch staatliches Zwangsouting Stigmatisierung und Diskriminierung zu erfahren. Das Gesetz wird von ihnen nicht als Schutz, sondern als Gefährdung und als existenzvernichtend empfunden.

Da das ProstSchG noch relativ neu ist, ist der aktuelle Forschungsstand dazu überschaubar. Die überwiegenden Texte finden sich vor allem in Fachzeitschriften wie „Zeitschrift für Sexualforschung“ und „Kritische Justiz“, wie z.B. „Versorgung zur sexuellen Gesundheit unter dem Prostituiertenschutzgesetz“ (Langanke 2018). In der Publikation von Ulrike Lembke (Lembke 2017) findet sich der Text „Schutz oder Kontrolle?“ von Maria Wersig. Auf das Prostituiertenschutzgesetz bezieht sich auch das Buch „Das Bordell“ (Ziemann 2017). Der Gesetzestext samt Kurzkommentaren findet sich in der Publikation „Prostituiertenschutzgesetz“ (Büttner 2017). Mit der Theorie des Stigma von Erving Goffman wird die Stigmatisierung von Prostitution analysiert.

Im ersten Kapitel wird das ProstSchG in Bezug auf die gesundheitliche Pflichtberatung und der Anmeldeprozedur beschrieben. Im zweiten Kapitel die Stigma-Theorie von Goffman vorgestellt. Der dritte Teil ist die Analyse und zum Abschluss die Ergebnisse zusammengefasst.

 

1.  Das Prostituiertenschutzgesetz

Seit dem 01.07.2017 wird das Prostitutionsgewerbe per Gesetz neu reguliert. Das „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbe sowie zum Schutz von der Prostitution tätigen“ (ProstSchG) besteht aus folgenden Kernelementen: Die Einführung einer Anmeldepflicht und einer verpflichtenden Gesundheitsberatung für Prostituierte, die Einführung einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten sowie einer Kondompflicht exklusiv für Prostitution.

Ziel des neuen Gesetzes ist es, das Prostitutionsgewerbe in Deutschland zu überwachen und mit jederzeitigem Zutrittsrecht in Prostitutionsstätten und Wohnungen zu kontrollieren. Die Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß § 13 GG wird für die Prostitutionstätigkeit damit außer Kraft gesetzt.

Prostitution ist in Deutschland seit 1927 eine legale Tätigkeit, die jedoch weiterhin durch Sonderstrafgesetze, Sonderverordnungen, hierbei insbesondere durch Sperrgebietsverordnungen (Art. 297 EGStGB) geregelt wird. Das Prostitutionsgesetz von 2002 sowie das Infektionsschutzgesetz von 2001 bleiben neben dem aktuell geltenden Prostituiertenschutzgesetz weiterhin bestehen.

1.1 Die obligatorische Gesundheitsberatung

Mit dem ProstSchG werden Sexarbeiter*innen verpflichtet, sich einer Gesundheitsberatung beim Öffentlichen Gesundheitsdienst zu unterziehen. Die obligatorische Gesundheitsberatung muss jedes Jahr wiederholt werden. Für Sexarbeiter*innen unter 21 Jahren halbjährlich, ansonsten einmal jährlich. Die Beratung soll Fragen der Krankheitsverhütung, der Empfängnisregelung, der Schwangerschaft und der Risiken des Alkohol- und Drogengebrauchs behandeln. Des Weiteren soll es Sexarbeiter*innen ermöglichen, sich über bestehende Zwangs- und Notlagen den Behörden gegenüber zu offenbaren. (vgl. Büttner 2017 : 92ff.). Die Begründung des Gesetzgebers dafür ist: „Die Gesundheitsberatung ist eines der zentralen Instrumente des ProstSchG zur Verbesserung der Situation von Prostituierten in Deutschland.“ (Büttner 2017 : 93) Die ausgestellte Gesundheitsbescheinigung ist die Voraussetzung für die Registrierung und die Erlangung einer Erlaubnisbescheinigung zur Ausübung der Prostitution.

Am neuen ProstSchG kritisieren Vertreter*innen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) vor allem die Koppelung von Anmelde- und Beratungspflicht, die das Gesetz für in der Sexarbeit tätige Personen vorsieht. Die „Anmelde- und Beratungspflicht für Prostituierte stellt einen erheblichen Eingriff in Persönlichkeitsrechte dar. Sie ist in hohen Maße stigmatisierend und ungeeignet, mögliche Opfer von Menschenhandel und Gewalt zu identifizieren und zu schützen“. (vgl. BVÖGD 2017, zit. nach Langanke 2018 : 79).

1.2 Zwang versus Prävention

Seit der Einführung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) haben kommunale Gesundheitsämter positive Erfahrungen mit der freiwilligen, kostenlosen und anonymen Beratung und den Untersuchungsangeboten gemacht, die besonders von Sexarbeiter*innen in Anspruch genommen werden. (Vgl. Langanke 2018 : 79). Denn es stärkt die Eigenverantwortung der Betroffenen im Unterschied zu dem zuvor geltenden „Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten“ von 1953, das mutmaßlich infizierten Einzelpersonen Pflichten auferlegte.

Die Deutsche Aidshilfe e.V. als auch die Gemeinnützige Stiftung Sexualität und Gesundheit erklärten, „Kontrolle und Repression führen dazu, dass viele Frauen illegal arbeiten, so dass Hilfs- und Präventationsangebote nicht erreicht werden“. (Deutsche Aidshilfe 2015 ) Es gilt als empirisch nachgewiesen, dass das IfSG erfolgreich war. Mit dem ProstSchG werden diese Erkenntnisse der Fachwelt jedoch vollkommen ignoriert.

1.3 Anmeldepflicht für Prostituierte

Alle Sexarbeiter*innen müssen sich persönlich bei der zuständigen Behörde registrieren lassen. Zuständig ist die Behörde derjenigen Stadt bzw. Region, in der sie vorhaben, überwiegend tätig zu sein. Für die Anmeldung werden folgende Angaben benötigt: Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Meldeadresse (bzw. bei ausländischen Sexarbeiter*innen eine Zustellanschrift), zwei biometrischen Lichtbilder und die Bescheinigung über die Teilnahme an der Gesundheitsberatung. Darüber hinaus müssen die geplanten Arbeitsorte in den Länder und Kommunen benannt werden. Die Anmeldung muss für die über 21 -Jährigen alle zwei Jahre erneuert werden, halbjährlich für die unter 21-Jährigen. Wenn keine Anhaltspunkte für eine Zwangslage vorliegen, wird eine Bescheinigung für die Ausübung der Prostitution ausgestellt. Der mit Lichtbild versehene Ausweis ist bei der Ausübung und Anbahnung der Prostitutionsausübung stets mitzuführen. Gegen eine weitere zusätzliche Gebühr kann eine Aliasbescheinigung ausgestellt werden. (vgl. Büttner 2017 : 55 f.).

Der Deutsche Juristinnenbund kritisierte die verpflichtende Anmeldung mit den persönlichen Daten im Zusammenhang mit dem Sexualleben von Personen als Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht. Die Erlaubnisverweigerung einer Anmeldung zur Ausübung der Prostitution würde bedeuten, dass das Grundrecht auf freie Berufswahl gemäß Art. 12 GG für Sexarbeiter*innen außer Kraft gesetzt würde. (vgl. djb 2015 : 3ff.).

1.4 Datenschutz

Die zuständige CDU-Bundestagsabgeordnete Nadine Schön begrüßte die Einigung der Regierungskoalition seinerzeit mit den Worten: „Im Prostitutionsgewerbe wird es keine Anonymität geben“. (vgl. Wersig 2017 : 229). Schutz, so die Begründung für diesen Regulierungsansatz, funktionierte nur über Kontrolle.

Gegen diese Neuregelung bestehen aber datenschutzrechtliche Bedenken. Denn Daten über das Sexualleben einer Person gelten als besonders sensible Daten und fallen unter das Verbot des Art. 8 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie 45/96 EG.

„Schließlich wird bezweifelt, ob eine „Prostituiertenkartei“ vor Gewalt und Ausbeutung in der Prostitution schützen kann. Im Ergebnis werden die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu ihrem eigenen Schutz durch die Datenverwendung verletzt“. (Wersig 2017 : 228)

2. Theorie über Stigma von Goffman

Goffman bezeichnet Stigma als eine Eigenschaft mit diskriminierender Wirkung. (Vgl. Goffmann 1975 : 11f.). Das Wort „Stigma“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Zeichen“, „Brandmal“ oder „Stich“ und bezeichnet Personen, die sich in besonderer Weise von anderen unterscheiden.

„Die Zeichen wurden in den Körper geschnitten oder gebrannt und taten öffentlich kund, dass der Träger ein Sklave, ein Verbrecher oder ein Verräter war – eine gebrandmarkte, rituell für unrein erklärte Person, die gemieden werden sollte, vor allem auf öffentlichen Plätzen“. (Goffman 1975 : 9)

Laut Goffman verwendet jeder Mensch in der Interaktion mit anderen Kategorisierungen, indem er seinem Gegenüber bestimmte Eigenschaften zuschreibt. Beim Anblick eines Fremden erahnen wir seine Kategorie, seine Eigenschaften und seine soziale Identität. Goffman spricht von sozialer Identität. Dieser Begriff ist weiter gefasst als der soziale Status „persönlicher Charaktereigenschaften“ wie zum Beispiel „Ehrenhaftigkeit“. Ebenso einbezogen sind strukturelle Merkmale etwa des Berufs. (ebd. 12-13)

Goffman unterscheidet drei Typen von Stigma: Typ 1 : Physische Deformationen wie körperliche Missbildungen, Blindheit, Taubheit usw.; Typ 2 : Individuelle Charakterfehler, beispielsweise psychische Erkrankungen, Delinquenz, Willensschwäche, beherrschende oder unnatürliche Leidenschaften, Unehrenhaftigkeit, Gefängnishaft, Sucht, Homosexualität, Arbeitslosigkeit, Suizidversuche und radikales politisches Verhalten. Typ 3 : Phylogenetische Stigmata der Rasse, Nation und Religion. (ebd. 12-13)

Unterscheidet sich die erwartete Identität einer Person von ihrer tatsächlichen, so entsteht eine Diskreditierung der betroffenen Person und somit ein Stigma. Dabei betont Goffman, dass eine Eigenschaft nicht an sich ein Sigma bildet, sondern sich erst im Zusammenhang mit einem gesellschaftlichen Verständnis von Normalität ergibt. Gemäß Goffman hat soziale Identität eine virtuelle und eine aktuelle Seite. Den virtuellen Anteil machen die Vorstellungen und Erwartungen aus, mit denen man eine Person einer bestimmten Kategorie zuordnen kann. Die aktuelle soziale Identität setzt sich aus den Attributen zusammen, die tatsächlich zutreffen. Diese beiden Formen der Identität widersprechen sich im Alltag. (vgl. ebd. 10 ff.).

Goffman führt noch eine weitere Unterscheidung an, nämlich die zwischen Diskreditierten und Diskreditierbaren. Von Diskreditierten spricht er, wenn Stigmatisierung und Anderssein von Anwesenden wahrgenommen wird. Bei den Diskreditierbaren ist die Abweichung den Anwesenden nicht bewusst oder bekannt. Eine stigmatisierte Person kann mit beiden Typisierungen Erfahrungen gemacht haben und wird versuchen, durch Täuschung ihr unerwünschtes Anderssein zu verbergen. Für Diskreditierbare ist es von Wichtigkeit, den Widerspruch zwischen aktueller und virtueller Identität durch Informationskontrolle selbst zu steuern:

„Das entscheidende Problem in ihrem Leben ist es nicht, mit der Spannung, die während sozialer Kontakte erzeugt wird, fertig zu werden, sondern eher dies, die Information über ihren Fehler zu steuern. Eröffnen oder nicht eröffnen, sagen oder nicht sagen, rauslassen oder nicht rauslassen, lügen oder nicht lügen, und in jedem Falle, wem, wann und wo“. (Goffman 1975 : 56)

3. Analyse

Stigmata gegenüber Prostitution haben eine Jahrtausende währende Tradition, die bis in die Antike zurückreicht (vgl. Ziemann 2017 : 16ff.). Im 15. Jahrhundert wurde durch Luthers Lehre die „Hurerei als das Schändlichste auf dieser Welt“ betitelt. (Vgl. Ziemann 2017 : 47ff.). Bis heute hält diese historische Stigmatisierung von Prostituierten an und wird durch das neue ProstSchG noch verstärkt.

Laut Goffmans Theorie über stigmatisierte Personen, kann man Sexarbeiter*innen der zweiten Form „individuelle Charakterfehler“ zuordnen. Kennzeichnung einer beschädigten Identität ist, dass man nicht mehr selbst entscheiden kann, wer man ist. Dies erfolgt größtenteils durch Einschätzung von anderen. Mit dem ProstSchG wird durch die Anmeldeprozedur und die damit verbundene Mitführpflicht eines „Hurenpasses“ die Stigmatisierung von Sexarbeiter*innen verstärkt. Mit der Schaffung eines Gesetzes „sui generis“ signalisiert der Gesetzgeber der Mehrheitsgesellschaft, dass Prostitution keine der Norm entsprechende, gesellschaftsfähige Berufstätigkeit ist.

Sexarbeiter*innen gehören nach Goffmans weiteren Unterteilungen zur Gruppe der Diskreditierbaren, da sie in der sozialen Interaktion nicht unmittelbar sichtbar sind. Sie führen ein Doppelleben, um sich und ihre Angehörigen vor Stigmatisierung zu schützen. Durch das staatlich verordnete Zwangsouting ist ihr Handlungsraum jetzt stark eingeschränkt. Sie haben nur die Wahl, entweder legal zu arbeiten und damit eine Gefährdung durch Zwangsouting zu riskieren oder sich illegal durch eigene Schutzmechanismen und Bewältigungsstrategien selbst zu schützen. Denn durch die inflationäre behördliche Verbreitung ihrer Daten haben sie die Kontrolle über den Informationsfluss bezüglich ihrer beruflichen Tätigkeit verloren.

Dabei dürfte eine Gefährdung durch Zwangsouting im Zuge der Registrierung von Sexarbeiter*innen in ländlichen Regionen größer sein als in Großstädten. Dies wird insofern eine Verfälschung der Anmeldezahlen zur Folge haben, als vile Sexarbeiter*innen sich wegen der größeren Anonymität in Großstädten registrieren lassen werden, obwohl sie dort nicht schwerpunktmäßig ihrer Tätigkeit nachgehen.

Gerade aber ein kontrollierter Informationsfluss böte nach Goffmans Theorie für Diskreditierbare einen Handlungsspielraum im Sinne des Stigma-Managements.

Infolge der erhöhten Gefährdung durch Zwangsouting im Zuge der Umsetzung des ProstSchG sind Sexarbeiter*innen einer größeren psychischen Belastung ausgesetzt, was sich wiederum auf ihre Gesundheit auswirken kann. Dies steht im Widerspruch zu den verkündeten Zielen des Gesetzgebers, die Gesundheit von Prostituierten schützen zu wollen.

4. Fazit

Die gesellschaftliche Stigmatisierung von Prostitution ist immer ein Spiegelbild dessen, wie eine Gesellschaft mit Sexualität und Frauenrechten umgeht. Die Analyse hat ergeben, dass das neue ProstSchG die Stigmatisierung und Diskriminierung von Sexarbeiter*innen verstärkt. Eine Entkriminalisierung und Gleichstellung mit anderen Gewerben findet nicht statt, da prostitutionsspezifische Sonderbestimmungen im Straf- und Verwaltungsrecht beibehalten werden.

Die geringen Anmeldezahlen von Sexarbeiter*innen verdeutlichen, dass der überwiegende Teil der Betroffenen das ProstSchG nicht akzeptiert. Viele werden in die Illegalität getrieben und damit kriminalisiert.

Die Frage stellt sich, warum der Gesetzgeber – entgegen allen Warnungen aus Fachwelt und Wissenschaft – ein solches Gesetz als „Schutz für Prostituierte“ anpreist, obwohl es von den Betroffenen als das genaue Gegenteil empfunden wird. Die Annahme liegt nahe, dass der Grund dafür die traditionelle Gegnerschaft der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber nicht-reproduktivem Bezahl-Sex ist in Kombination mit einer Abwehrhaltung gegenüber so genannter Armutsmigration.  Zum Schluss ergibt sich die Frage, welche Auswirkungen das ProstSchG auf Frauen jenseits der Prostitution hat.

1 https://www.donacarmen.de/offenen-brief-an-die-landraetin-des-kreises-marburg-biedenkopf-kirsten-fruendt-spd-sozialpsychiatrischen-dienst-zustaendig-fuer-sexarbeiter-innen/

2 https://www.gesetze-im-internet.de/prostschg/BJNR237210016.html

 

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