Rede gegen Hurenhass?
Ich war mal so frei, eine Rede gegen Hass und Diskriminierung des Bundestagsabgeordneten Volker Beck zu „zweckentfremden“. Das war gar nicht viel Arbeit, denn ich musste nur einzelne Begriffe austauschen und die Rede hätte auch von jedem anderen stammen können.
Es wäre schön, wenn sich Politiker und sämtliche Menschen eines Tages auf diese Weise auch gegen die Diskriminierung, Hetzjagd, Hurenhass und Entkriminalisierung von Sexdienstleistern einsetzen würden.
Würde die Rede dann auch so lauten? Ich hoffe, das verdeutlicht einmal, das sich niemand wirklich gegen unsere Stigmatisierung einsetzt und unsere Verfolgung, Zwangsouting, Beleidigungen und Beschimpfungen legitim zu sein scheinen.
Grüß Gott und Guten Tag,
Es ist ein guter Tag für unsere Republik und ein guter Tag für Frankfurt.
Weil von diesem Platz geht heute das Signal aus: Der Kampf gegen die Diskriminierung und Stigmatisierung von Sexarbeitern ist eine Aufgabe für alle Menschen in Deutschland.
Wir müssen uns gemeinsam unterhaken, wenn eine Gruppe in unserem Land angegriffen wird und hier Hetze und Hass gepredigt wird, Gewalt ausgeübt wird, wenn Bordelle beschmiert werden, wenn Straßenprostituierte beschimpft und beworfen werden oder auch ihre Wohnwagen brennen, dann sind wir in Deutschland alle gemeinsam aufgerufen, gegen Hass und Hetze zu Felde zu ziehen und Solidarität zu beweisen.
Und es gilt an solchen Tagen, wo wir gegen Hurenhass aufstehen, oder wo wir manchmal auch Debatten im Bundestag dazu haben, nicht nur uns auf die Schulter zu klopfen das wir auf der richtigen Seite stehen, sondern wir müssen auch genau hinschauen, weil der Hurenhass hat verschiedene Gesichter und verschiedene Erscheinungsformen. Es gibt den tradiotionellen christlichen Abolitionismus, seit Anbeginn des 18. Jahrhunderts, es gibt den Abolitionismus der völkischen und Rassisten, aus dem 19. und 20. Jahrhundert, es gibt den Hurenhass in unserer Gesellschaft aus der Mitte heraus die sagen: „Ich hab ja nichts gegen Prostituierte, aber man muss doch mal sagen können“, und es gibt die linke Anti-Prostitutions-Bewegung, es gibt Länder mit Gesetzen wie dem schwedischen Modell und es gibt feministischen Abolitionismus.
Und wir dürfen bei keiner Form des Hurenhasses wegschauen. Und auch wenn es richtig ist, das wir sagen müssen, eine Sexdienstleisterin in Deutschland, hat genau so viel mit Menschenhandel und Zwangsprostitution zu tun, wie ein Bauarbeiter in Deutschland, wie eine Pflegekraft in Deutschland, Landwirtschaftshilfe, Fleischereimitarbeite oder Küchenhilfe in Deutschland. Diese Unterscheidung ist wichtig, aber auch wie wir über den Konflikt mit der Eingliederung von Migranten in Deutschland reden, ist wichtig. Es gibt keinen anderen Beruf in der Welt, den man im Diskurs, in seiner Existenz, immer wieder angreift und in Frage stellt. Im Mainstream der deutschen Presse, der deutschen öffentlichen Diskussion sagt man: Hurenhass und Abolitionismus ist nicht okay. Aber Kritik an der Prostitution, das muss doch möglich sein. Ja sagen sie mir einmal, wo gibt es denn Kritik an HartzIV oder Kritik an 1-Euro-Jobs? Nie kritisiert man das ganze System, man kritisiert einzig und allein die Prostitution oder konkrete Personen die Pro-Prostitution sind. Aber man stellt nicht die Existenz eines ganzen Berufsstandes unter Kritik.
Und deshalb erwarte ich auch von den deutschen Medien, das wenn wir über sexuelle Dienstleistungen reden, uns unterhalten darüber, welche politischen Maßnahmen sind richtig, welche sind falsch, darüber dürfen wir streiten. In keinem Beruf der Welt streitet man wohl mehr darüber, als im Sexgewerbe selbst. Das will niemand verbieten und es ist bescheuert zu sagen: „Wir müssen doch mal sagen dürfen“. Das ist heuchlerisch. Wer so argumentiert, will am Ende die Sexarbeiter kritisieren, in ihrer Existenz, und das dürfen wir nicht zulassen.
Und ein Teil der Anti-Prostitutions-Bewegung kommt ja in seiner abolitionistischen Gestalt daher. Und ich lese auch immer wieder, das Abolitionismus zumindest eine diskutable politische Haltung sein soll. Aber was ist denn Abolitionismus?
Da muss man erst mal schauen, was denn die Pro-Prostitutions-Bewegung überhaupt ist. Die Sex Worker Bewegung des letzten Jahrhunderts hat eine Legalisierung und Entkriminalisierung von Sexarbeit in der Welt gefordert, damit sie sicher vor Gewalt und Verfolgung sind. Diese Bewegung hatte mit der Schaffung des Prostitutionsgesetzes in Deutschland ihren Erfolg und ihren Höhepunkt und sozusagen ihre „Mission Completed“.
Jetzt geht es um die Abschaffung dieses Erreichten.
Wenn der heutige Abolitionismus legitim ist, ist das nichts anderes als zu sagen: „Die In-Frage-Stellung der Existenz von SexdienstlerInnen ist legitim. Das muss sich keine Sexarbeiterin auf der Welt gefallen lassen. Und bei allen Differenzen, die ich auch zu bestimmten Personen im Sexgewerbe habe, das lassen wir nicht zu!
Und es wird viel in Deutschland beschworen, wir wären das „Bordell Deutschland“, auf Grund unserer Gesetze. Ich würde mir manchmal wünschen, von Politikern und Journalisten, die das beschwören, sie würden dieses Argument einfach mal bei Seite lassen und Sexdienstleister einmal so betrachten, wie jeden anderen Menschen auch. Da hätten die SexarbeiterInnen schon viel gewonnen.
Weil die Sexarbeiter haben seit dem neuen Prostitutionsgesetz immer wieder gesagt: Es muss von allen Bundesländern umgesetzt und Arbeitsstandards erarbeitet werden. Wir brauchen eine Garantie der Sicherheit und des Fortbestands unserer Tätigkeit und die rechtliche Sicherheit für die SexarbeiterInnen. Das ist ein legitimes Begehren und alles, dass das nicht in Kraft gesetzt wurde, was 2001 vereinbart wurde, liegt doch daran, dass einige der Bundesländer diese Sicherheit nicht herstellen wollten und die Bundesregierung keine völlige Umsetzung des Gesetzes verfolgt hat.
Und wir lernen daraus, jetzt wo die neuerliche Hetzkampagne gegen Sexarbeiter im Gange und neue Gesetze zur Eindämmung von Prostitution in Planung sind, da hat die Bundesregierung und unsere Gesellschaft eine Aufgabe, sich jetzt wieder gegen die Diskriminierung und Kriminalisierung einzusetzen.
Und ich sage ganz klar, es gibt dafür legitime Interessen. Sexarbeiter haben ein Interesse an Anonymität, zu wissen das sie nicht mehr verfolgt und stigmatisiert werden, und sie in Ruhe arbeiten können, ohne das jederzeit die Polizei zu unangemeldeten Kontrollen reinplatzt. Und die SexarbeiterInnen haben ein Interesse für eine wirtschaftliche, ökonomische und soziale Perspektive.
Und das wird man nur umsetzen können, wenn die Regierung auch bei der Gewährleistung von diesen Sicherheiten mehr Verantwortung übernimmt.
Wer da behauptet „Die Sexarbeiter sollen sich mal nich so haben“, da muss ich doch fragen, wie konnte denn trotz eines Anti-Diskriminierungs-Gesetzes so viele Lügen und Fehlinformationen über Prostitution und sexuelle Dienstleister verbreitet werden? Diese Gerüchte werden teils sogar von Politikern selbst verbreitet.
Und daran sieht man, ohne die Frage „Diskriminierung“ zu lösen, wird es keine Entspannung geben, und ohne das die Sexdienstleister in den verschiedenen Bereichen endlich wieder eine Zukunftsperspektive haben, wird es für sie auch keine dauerhafte Sicherheit geben.
Deshalb muss diese Frage dringend gelöst werden.
Und zum Schluss will ich noch sagen, eine Aufgabe für die deutsche Anti-Diskriminierungs-Beauftrage:
Was wir die letzten Wochen und Monate auf den deutschen Straßen gesehen und in deutschen Medien gelesen haben, hat auch gezeigt, bei all unseren Programmen gegen sonstige Diskriminierung, die wir haben, haben wir viel zu lange nur Teile der Bevölkerung in den Blick genommen.
Wir brauchen auch Programme, wo alle Bürger erfahren was sexuelle Aufklärung und Selbstbestimmung ist. Die haben eine andere Fragestellung. Die können wir nicht fragen, war eure Mutter anschaffen oder euer Vater im Bordell? Für die ist es eine andere Geschichte, aber wer in Deutschland lebt, der muss sich auch in diese Verantwortungsgemeinschaft mit hinein begeben.
Und wir brauchen eine Sensibilisierung bei den Behörden, auch für Menschen die in der Sexarbeit tätig sind, genau wie wir das für alle anderen auch haben, zu erkennen, das bei aller Unterschiedlichkeit der Tätigkeit, und jeder immer von sich selbst denkt „ich habe einen guten Beruf“, das man Respekt vor den unterschiedlichen Menschen und Dienstleistungen gewinnt, weil nur gemeinsam, wenn wir uns gegenseitig respektieren, werden wir in Deutschland eine Chance haben, Ausbeutung und Missbrauch zu bekämpfen.
Danke.