Das ProstSchG – Ein praxisfernes und diskriminierendes Sondergesetz

 In Prostitution Allgemein

Ich bin alleinerziehende Mutter von 2 Kindern und war die letzten 10 Jahre in der Sexarbeit tätig. Ausschließlich leben konnte ich davon nie, aber es war immer ein einfacher Zuverdienst, um die Ausgaben für die Familie zu decken und meinen Kindern ein „normales“ Leben ohne soziale Ausgrenzung zu ermöglichen. Staatliche Leistungen wie aufstockendes Hartz4 oder Wohngeld habe ich nie gewollt. Mit der Diskussion um das geplante Gesetz plagten mich aber erneut Existenzängste, die mich dazu bewogen haben, mich langsam aus der Sexarbeit zurückzuziehen. Denn ich möchte diese Gängelei und Diskriminierung durch Zwangsberatung und Anmeldung nicht über mich ergehen lassen. Offiziell höre ich jedenfalls auf. Inoffiziell werde ich dann mal schauen…

 

Der wichtigste Grundsatz – und auf dem basiert der vorliegende Gesetzesentwurf genau nicht – ist, dass die Prostitution zunächst entkriminalisiert werden muss, bevor man daran geht, sie zu regulieren. Das beudetet, dass Sexarbeit nicht über das Strafrecht geregelt werden darf. Zum selben Ergebnis kam auch Amnesty International im vergangenen Jahr, nachdem die Menschenrechtsorganisation eine zweijährige, umfassende Studie durchgeführt hatte, für die Sexarbeiterinnen gerade auch dort befragt wurden, wo Sexarbeit stark reglementiert oder gar verboten ist. Ein Bericht der Vereinten Nationen von 2012, basierend auf Forschung in 48 Ländern, stellte darüber hinaus fest, dass Lizensierungs- und Registrierungsmodelle sich als ineffektiv erwiesen haben bzw. sich nur auf einen kleinen Anteil von Sexarbeiterinnen positiv auswirkten, denn dort, wo es solche Modelle gibt, arbeitet die überwiegende Mehrheit der Sexarbeiterinnen außerhalb dieser Regelwerke. Vergleiche mit Ländern wie Deutschland haben ergeben, dass sich die Arbeits- und Lebensituation von Sexarbeiterinnen durch eine Legalisierung verbessert, doch die positivsten Ergebnisse liegen aus Neuseeland vor, wo der Schritt zur Entkriminalisierung schon vor fast 13 Jahren endlich gegangen wurde.

Diesen Mut bringen die Autorinnen des Prostituiertenschutzgesetzes nicht auf. Unter dem Vorwand des Schutzes ist das geplante Gestez von vorne bis hinten „ausstiegsorientiert“. Dabei wird jedoch mit keiner Silbe erwähnt, wie man sich zukünftig Hilfen und Leistungen zum Lebensunterhalt vorstellt. Hartz 4 ist für viele jetzt schon keine Lösung. Eben darum wählen ja viele von uns den Weg in die Sexarbeit.

Wenn man denn wirklich helfen wollte, bräuchte es also andere Alternativen und praxisnahe Hilfen, anstatt diese Menschen nun eben doch in diese minimale Grundabsicherung zu schicken. Gerade in Ballungszentren, in denen die Arbeitslosenquote hoch ist, bietet diese minimale Grundabsicherung keine nachhaltige Zukunftsperspektive.

Anstatt nun wie geplant 76,2 Millionen Euro einmalig und anschließend 85 Millionen Euro jährlich diesem Bürokratiemonster in den Rachen zu werfen, könnten mit dem Geld sinnvolle Projekte finanziert werden, wie z.B. Beratungstellen, Selbsthilfeorganisationen, Transferleistungen und Hilfen für Qualifizierungen für eine berufliche Umorientierung. Ebenso wäre eine Sozialkasse für Sexarbeiter ein Segen für viele, denn allein den Mindestbeitrag für Krankenversicherungen kann sich ein nicht unerheblich großer Teil schlichtweg nicht leisten.

Mit dem neuen Gesetz würden uns Sexarbeiterinnen unüberwindbare Hürden auferlegt werden, anstatt uns die Hilfen anzubieten, auf die wir immer und immer wieder hingewiesen haben. Auch bei unserer Umfrage unter Kolleginnen im Dezember 2015 wurde deutlich, was sich Menschen in der Sexarbeit wirklich wünschen und was sie brauchen: einen effektiven Schutz vor Diskriminierung; Schutz vor Kündigungen im Hauptjob wegen eines Nebenjobs in der Sexarbeit; Hilfe gegen Wuchermieten; mehr Beratungsstellen, und zwar solche, die nicht nur Ausstiegs- sondern auch Einstiegshilfen anbieten; und ein besser Schutz der Anonymität, gerade auch beim Umgang mit Behörden. Das alles bietet das ProstSchG nicht, sondern das ganze Gegenteil, denn es hebelt mal eben auch das Grundgesetz aus. Mit Inkrafttreten des Gesetzes wäre der Polizei erlaubt, jede Privatwohnung ohne richterlichen Beschluss zu betreten. Der schlichte Vorwurf der Prostitution würde dafür ausreichen.

Anmeldung

Bei unserer Umfrage haben rund ein Drittel der Befragten angegeben, bereits schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht zu haben. Ein ebenso großer Teil gab an, sich aus Angst oder Scham noch nie bei Behörden geoutet zu haben. Das sind insgesamt also weit über die Hälfte aller Befragen. Umso schlimmer trifft uns daher der Zwang, sich einer fremden Person gegenüber erklären und intime Details über sich verraten zu müssen.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum es nötig sein soll bei der Anmeldung unsere Tätigkeitsorte mit anzugeben oder sich ggfs. erneut anmelden zu müssen, wenn noch weitere Städte und Länder hinzukommen sollten. Diese Maßnahmen sollen es schlicht und ergreifend ermöglichen, ein Bewegungsprofil anfertigen zu können, das vieles verrät, aber nichts zu unserem Schutz beiträgt.

Konzessionierung

Anstatt Menschen in der Sexarbeit bei der Selbstorganisation und Schaffung von individuellen Arbeitsplätzen zu unterstützen wird die Arbeitssituation von selbständig tätigen Sexdienstleistern verschlimmert. Nicht genug, dass man Großbetreibern à la Artemis, Pascha und Paradise mit so einem Gesetz die Kontrollbefugnis über Sexdienstleister gibt, denn Betreiber müssen Anmeldung, Aufenthaltsdauer und andere Details festhalten und an die Behörden weitergeben. Man stärkt darüber hinaus Betreiber durch ein Gesetz, das es SexarbeiterInnen unmöglich macht, allein oder mit Kolleginnen organisiert in Apartments zu arbeiten, und treibt sie somit in die Hände von genau den Betreibern, die doch so vielen kommunalen Politikern ein Dorn im Auge sind – nur der Anblick, natürlich, nicht die Steuereinnahmen. Dieses Gesetz gibt vor, uns vor Fremdbestimmung schützen zu wollen, wird jedoch das genaue Gegenteil zur Folge haben: es wird den meisten von uns die Möglichkeit nehmen, selbstbestimmt und unabhängig arbeiten zu können. Außerdem fördern die Autorinnen, allen voran Ministerin Schwesig, immer wieder die „Mär des laissez faire“ für Prostitutionstätten und der armen Polizei, die ja gar nichts kontrollieren könnte. Ferner von der Realität geht es nicht. Vielmehr ist es ein Versuch, von der breiten Bevölkerung, sprich den Wählerinnen und Wählern, Zustimmung für diesen Entwurf zu gewinnen, anstatt ihnen zu erklären, warum 85 Millionen Euro jährlich für Maßnahmen locker gemacht werden sollen, die Sexarbeiterinnen nicht helfen, und den Kommunen, die eh schon knapp bei Kasse sind, erst recht nicht.

Stigma

Dem Gesetzesentwurf fehlt durchweg das Prinzip der Vorurteilsfreiheit. Stattdessen wird deutlich, dass sich die Autorinnen nicht des mit der Sexarbeit verbundenen Stigmas entledigen konnten, gegen das im Übrigens seit Inkrafttreten der noch gültigen Gesetzgebung nichts unternommen wude. Stattdessen fördern und verstärken die mit dem ProstSchG geplanten Maßnahmen dieses Stigma, welches von Sexarbeiterinnen weltweit immer wieder als Haupterschwernis genannt wird. Die Wortwahl des Gesetzes und die Behauptungen in der Begründung verschärfen die existierenden Vorurteile und Klischees, denn wenn Sexarbeit in einem Atemzug mit Kriminalität und sexueller Ausbeutung genannt wird, verfestigt sich dieses Bild in den Köpfen der Menschen.

Diejenigen, die die wenigen Sexarbeiterinnen, die sich trauen für unsere Rechte einzutreten, als „privilegiert“ abstempeln,  sollten sich eher ihrer Mitschuld an der Stigmatisierung der Sexarbeit bewusst werden, als Gesetze auf den Weg zu bringen, die die Optionen aller Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter schmälern anstatt sie zu vermehren. Betroffen werden davon insbesondere die sein, die ohnehin schon zu wenige haben, z.B. Migrantinnen oder Transsexuelle, und täglich einer Mehrfach-Diskriminierung ausgesetzt sind.

 

Fazit

 

Während meiner Teilnahme am „Runden Tisch Prostitution NRW“ habe ich das erste Mal erlebt, dass mit mir geredet wurde. Sonst wird immer nur über mich geredet, selbst wenn ich anwesend bin.

Es ist also sehr wohl möglich, sich mit den wahren Experten, nämlich uns, an einen Tisch zu setzen und Lösungen zu finden. Tut man das nicht, erhält mal genau das, was das ProstSchG nun ist. Ein praxisfernes und diskriminierendes Sondergesetz, das uns von der gleichberechtigten Teilnahme aus dem Wirtschaftsleben ausschließt und uns ein ganzes Stück weit gesellschaftlich angreifbarer macht.

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