Prostituiertenschutzgesetz: Ziele der Union voll erreicht

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In den letzten Wochen geisterten diverse Berichte durch die Medien, nach deren Lektüre man zu dem Ergebnis kommt, das Prostituiertenschutzgesetz (nachfolgend ProstSchG) hätte seine Ziele verfehlt und würde Menschen in der Prostitution nicht ausreichend schützen.

Dem müssen wir ganz klar widersprechen:
Das ProstSchG ist auf dem besten Weg, alle von der Bundesregierung gewünschten Ziele und Auswirkungen zu erreichen, vor allem die der Union. Es hat zwar ein wenig gedauert, aber nun, ca. 2 Jahre nach Inkraftreten des ProstSchG am 1. Juli 2017, wird immer deutlicher, dass die von uns erwarteten und prophezeiten Auswirkungen des ProstSchG weit verbreitet eingetreten sind.

Wie sagte es Innenminister Horst Seehofer (CSU) am 6. Juni 2019 so treffend zur Gesetzgebung in Deutschland:

„Das Gesetz nennt man Datenaustauschgesetz. Ganz stillschweigend eingebracht. Wahrscheinlich deshalb stillschweigend, weil es kompliziert ist, das erregt nicht so. Ich hab jetzt die Erfahrung gemacht in den letzten 15 Monaten: Man muss Gesetze kompliziert machen, dann (Lachen) fällt es nicht so auf. Wir machen nix Illegales, wir machen Notwendiges. Aber auch Notwendiges wird ja oft unzulässig infrage gestellt .“

Quelle: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/horst-seehofer-innenminister-ueber-komplizierte-gesetze-kommentar-a-1271409.html

Hier ging es zwar um das Datenaustauschgesetz, aber die gleiche Taktik fand bereits beim ProstSchG seine Anwendung.
So höhlte man damit beispielsweise ganz nebenbei das Grundgesetz aus. Artikel 13 GG, die Unverletzlichkeit der Wohnung? Gilt für Menschen in der Sexarbeit nicht mehr. Freie Berufswahl? Auch diese wird durch die Prozedur der Anmeldung für Menschen in der Sexarbeit beeinträchtigt. Natürlich steht das alles nicht so im Gesetz. Das wäre ja zu einfach, und dann hätte es womöglich auch mehr Proteste dagegen gegeben (siehe hierzu auch: Prostituiertenschutzgesetz verstößt gegen unsere Grundrechte)

Man dachte sich, nennen wir es einfach das „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“, kurz Prostituiertenschutzgesetz. So etwas findet immer Akzeptanz in der Gesellschaft. Das Missverständnis vieler liegt nun aber darin zu glauben, es handele sich beim „Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ um eben das: den Schutz dieser Menschen. Aber nein, wer sich intensiv mit dem Gesetz auseinandersetzt, wird bald feststellen, dass die Menschen vor sich selbst und vor der Prostitution geschützt werden sollen, ganz wie Sonnenschutzcreme ja auch nicht die Sonne schützt, sondern die Anwender vor den Auswirkungen der Sonnenstrahlung.

Das zuvor genannte Zitat von Horst Seehofer ist auch insofern im Zusammenhang mit dem ProstSchG passend, als dass es sich auf Umwegen auch um ein Gesetz handelt, das helfen soll, die Migration einzudämmen. So war von vorneherein klar, dass gerade für Menschen aus Ländern wie Bulgarien und Rumänien das Gesetz problematisch sein würde, da Prostitution in ihren Herkunftsländern illegal ist. Lassen sie sich nun hier in Deutschland als Prostituierte registrieren, müssen sie trotz der versprochenen Möglichkeit der Angabe einer „Zustellanschrift“ jederzeit damit rechnen, Post zu ihrer Adresse in ihrem Herkunftsland zu erhalten. (Siehe hierzu auch z.B. den Beitrag der Deutschen Aidshilfe: Prostituiertenschutzgesetz: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit )

Finanzämter setzen sich wissentlich und willentlich über diese Regelung hinweg und gefährden damit massiv das Leben von Menschen in der Sexarbeit in ihren Herkunftsländern. Schutz? Fehlanzeige. Wurde den Ratschlägen von Experten beim Gesetzgebungsverfahren Beachtung geschenkt? Allerdings, jedoch nicht in dem Sinne, in dem sie erteilt wurden. Stattdessen verwendete man das Wissen und die Argumente von Experten und kehrte sie einfach ins Gegenteil um. So war es ganz einfach Regelungen zu schaffen, die Menschen in der Sexarbeit möglichst hart treffen würden. Die Liste der Dinge, die Experten grundlegend ablehnten, wurde kurzerhand zur Wunschliste der Bundesregierung umfunktioniert.
[Ironie an]Sexarbeiter benötigen zu ihrem Schutz die Anonymität? Dann machen wir das Gegenteil und schreiben eine Registrierungspflicht ins Gesetz. [/Ironie aus]

Das ganze Konstrukt des ProstSchG ist so aufgebaut, dass es möglichst abschreckend wirken und Prostitution vielerorts unmöglich machen soll.

Ein Zwangsouting vor Fremden innerhalb einer Behörde. Teils sind hiermit, wie in der Stadt Gießen, sogar private Organisationen damit beauftragt (siehe hierzu auch: Sexarbeiterin klagt vor Verwaltungsgericht gegen Umsetzung des Prostituiertenschutzgesetzes durch die Stadt Gießen)

Solche Vorgehensweisen verstärken das Stigma, welchem Menschen in der Sexarbeit täglich ausgesetzt sind. Politiker können niemandem glaubhaft machen, dass es ihnen nicht vorher bewusst war, dass viele SexarbeiterInnen die Prozedur der Anmeldepflicht umgehen und stattdessen lieber untertauchen und gezwungenermaßen illegal arbeiten würden, denn sämtliche Experten, darunter VertreterInnen von Fachverbänden und Fachberatungsstellen sowie SexarbeiterInnen selbst, hatten genau davor gewarnt und andere, bessere Optionen gefordert, wie z.B. den Ausbau von Beratungsstellen, Mittel für Weiterbildung von Menschen in der Sexarbeit, die vollständige Entkriminalisierung der Sexarbeit, die Abschaffung aller Maßnahmen, die das Stigma in der Sexarbeit fördern, u.v.m.
Damit hätte die Bundesregierung jedoch nicht das erreicht, auf das sie hinauswollte: die leise Abschaffung der Prostitution unter dem Deckmantel, dass man Menschen in der Prostitution helfen würde.

Nun, 2 Jahre später, liest man fast täglich vom „Bordellsterben“ und vom „Leerstand in Betrieben“, da offiziell kaum noch SexarbeiterInnen zu finden sind. Ein Großteil der guten und sicheren Arbeitsplätze verschwindet, sei es durch Auflagen des ProstSchG oder durch seine Auswirkungen, z.B. dass SexarbeiterInnen sich keinen „Hurenpass“ besorgen wollen bzw. können, um nicht geoutet zu werden. Hinzu kommt, dass SexarbeiterInnen gemäß dem ProstSchG nicht mehr in Bordellen, Laufhäusern und anderen Prostitutionsbetrieben übernachten dürfen. Dadurch kommen täglich Kosten für ein weiteres Zimmer oder Hotel hinzu, die erst einmal erarbeitet werden müssen. So entscheiden sich viele mittlerweile lieber für den Alleingang oder illegale Arbeitsplätze.

Zudem sind viele SexarbeiterInnen selbst aus der Öffentlichkeit verschwunden, aus Angst aufzufallen und in eine Kontrolle zu geraten. Was bleibt, sind verkürzte Anbahnungen mit den Kunden via Internet oder Telefon, welche das Risiko für SexarbeiterInnen erhöhen, denn das „Kundenscreening“ kann so nicht mehr in dem Ausmaß erfolgen, in dem es nötig wäre.

SexarbeiterInnen, welche sich zuvor noch eine Arbeitswohnung teilen konnten, sind nun gezwungen alleine zu arbeiten. Dies bringt höhere Kosten mit sich (Miete, Nebenkosten, Werbung, etc. konnten vorher geteilt werden), die sich die meisten allein nicht leisten können. Und natürlich fällt auch der Schutz durch die KollegInnen weg. Konnte man zuvor gegenseitig auf sich aufpassen, sind SexarbeiterInnen nun gezwungen, ganz allein auf sich gestellt in einer Wohnung zu arbeiten. Folge: Auch ein großer Teil dieser Arbeitsplätze sind in den letzten beiden Jahren verschwunden.

Dies alles bestätigt eine kürzlich veröffentlichte „Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes in NRW“. (siehe auch: Prostituiertenschutz ohne Wirkung: Sexarbeiterinnen in der Illegalität)

Aber selbst Fachberatungsstellen werden hart von dem ProstSchG getroffen, das deren jahrelange Arbeit und Vertrauensaufbau in Gefahr gebracht hat. So musste z.B. Madonna e.V. aus Bochum im Jahr 2018 Streichungen von finanziellen Mitteln aus der Landeskasse NRW hinnehmen. Auch dem bundesweit gelobten Projekt, der Lola-App, wurden die Mittel gestrichen. In der „Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes in NRW“ findet dies natürlich keine Erwähnung. (Ein Schelm, wer böses dabei denkt.) Dringend benötigte Stellen in der Beratungsarbeit mussten gestrichen werden, da diese nun nicht mehr finanziert werden. Und das, wo gerade unabhängige und anonyme Beratung für Menschen in der Sexarbeit immens wichtig ist.
Man muss dazu auch erwähnen, dass die Beratungsstelle Kober, welche den der Evaluation beigefügten Bericht „Veränderungen und Auswirkungen durch das ProstSchG auf die Prostitutionsszene in NRW“ verfasst hat, Gelder und Mittel für den Bericht vom Land NRW erhält. Hier kann man also nicht von „unabhängiger Forschungsarbeit“ sprechen, zumal dieser Bericht keine wissenschaftlichen Standards erfüllt und eher Fragen aufwirft und offen lässt, statt sie zu beantworten (siehe hierzu auch den Kommentar von Mithu Sanyal)

Wer nun immer noch glaubt, dass das Prostituiertenschutzgesetz Prostituierte schützen soll, glaubt auch daran, dass Zitronenfalter Zitronen falten…

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