Offener Brief An Frau Silvia Pantel, CDU-MdB

 In Diskriminierung, Informationen, News Kommentare, Prostituiertenschutzgesetz, Prostitution / Sexarbeit, Prostitution Allgemein, Sexarbeiter bloggen

Anmerkung: Besagte Dame- vom Habitus her eine perfekte Verkörperung der katholischen Sexualmoral – hat sich auf You Tube zu der ihrer Ansicht nach überfälligen Reform des ProstGes geäußert. Schauplatz des Videos ist eine Notunterkunft am Rande des Düsseldorfer Straßenstrichs – und ursprünglich war auch eine Vertreterin der BeSD dort anwesend. DEREN Statement taucht interessanterweise bei You Tube nicht auf – und man kann das Video auch nicht kommentieren. Ich habe mich daher bemüßig gefühlt, Frau Pantel eine Mail an ihr Postfach im Bundestag zu schicken. Hier ist sie:
“ Sehr geehrte Frau Pantel,

mit viel Interesse habe ich auf You Tube Ihr Statement i.S. Prostitutionsgesetz verfolgt.
Gestatten Sie mir als Sexworkerin in vorgeschrittenem Alter ein paar Anmerkungen dazu.
1. Es steht absolut außer Frage, dass die jungen Frauen auf dem Drogenstrich geschützt werden müssen – und die Notunterkunft in der Sie Ihr Statement abgeben, leistet mit Sicherheit gute und wertvolle Arbeit. Ich stimme auch mit Ihnen überein, dass gerade für die ganz jungen Frauen die noch minderjährig sind, viel mehr getan werden muss. aber – und jetzt kommt der Pferdefuß:
2. Es ist äußerst unglücklich, wenn Sie Sexarbeit gleichsetzen mit: Menschenhandel, Elendsprostitution oder Beschaffungsprostitution. Das Spektrum in diesem Metier ist mindestens genauso vielfältig wie in der Gastronomie.Und eine Fünf-Sterne-Köchin oder die Inhaberin eines gutbürgerlichen Speiselokals würde sich mit Sicherheit empört davor verwahren, wenn man ihren Betrieb gleichsetzen würde mit den Kaschemmen im Stil von Mc Donalds oder Burger King.
a)Sie gehen davon aus, dass Sexarbeiterinnen die Überträgerinnen von ansteckenden Krankheiten sind und fordern daher wieder die Zwangsuntersuchung. Ältere Kolleginnen, die diese Verhältnisse noch selbst erlebt haben, berichten von rüden Methoden in den Gesundheitsämtern, Missachtung des Personenschutzes etc. – wer kümmert sich da um die Würde der Sexarbeiterinnen und garantiert den diskreten Umgang? Außerdem wird durch die Zwangsuntersuchung der Eindruck erweckt, dass jede Sexarbeiterin jetzt ohne Kondom arbeiten könne, „da sie ja regelmäßig gecheckt wird“ – entsprechend dann die Erwarungen der Kundschaft.
Um es ein für alle Mal zu verdeutlichen: Der Wunsch nach ungeschütztem Geschlechtverkehr geht von den KUNDEN aus – und wenn jemand nach Thailand oder Afrika fährt und DORT ungeschützen Geschlechtsverkehr hat und DANN seine Frau ansteckt, werden Sie daran nichts ändern können, wenn Sie sich HIER für eine Zwangsuntersuchung stark machen. DIESES Problem würden Sie eher in den Griff bekommen, wenn Sie eine Zwangsuntersuchung von ALLEN Männern und Sextouristen im Besonderen fordern würden!
Eine Sexarbeiterin die auf sich hält, arbeitet GRUNDSÄTZLICH nur safe – und wenn Sie in die einschlägigen Foren schauen, werden Sie in vielen Profilen den Vermerk finden:“nur Safer Sex!“
Für uns ist der Körper unser Betriebskapital – und wir wären schön dumm, wenn wir ihn vernachlässigen würden.
b) Sie beklagen, dass sich nach Einführung des Prostitutionsgesetzes nur sehr wenige Frauen offiziell krankenversichert haben. Ursache dafür ist, dass ich mich als Sexarbeiterin outen muss- und davor schrecken viele Frauen zurück. Denn die Folge ist die gesellschaftliche Ausgrenzung.
Sehr geehrte Frau Pantel: das Problem bei der Sexarbeit sind primär nicht die Kunden, sondern das gesellschaftliche Umfeld. Es gibt viele Frauen die als so genannte „Hobbyhuren“ Sexarbeit machen – meist sind sie im Niedriglohn beschäftigt und bessern so ihr Einkommen auf, ermöglichen sich auf diesem Wege in bescheidenem Maße das, was man „gesellschftliche Teilhabe“ nennt. Wenn sie ihr Gewerbe genehmigen lassen müssen, droht ihnen Zwangsouting, gesellschaftliche Ausgrenzung, Stigmatisierung… WOLLEN SIE DAS?
Ich selber bin mit 50plus zur Sexarbeit gekommen – mittlerweile bin ich 60 – und bei meinem jüngsten Besuch der Agentur für Arbeit sagte mir mein Sachbearbeiter: „Frau X-Sie haben ein Problem: der Arbeitsmarkt will Sie nicht mehr…“ Ich bin froh und glücklich und dankbar, dass ich wenigstens noch DIESE Möglichkeit habe… und sie ist auf jeden Fall besser und angenehmer als der 5-Euro-Job an der Kasse eines Discounters, sexuelle Belästigung durch den Filialleiter im Gehalt inbegriffen.
WENN es Ihnen tatsächlich darum geht, die Lebensbedingungen der Sexabeiterinnen zu verbessern, dann setzen Sie sich für eine bessere gesellschaftliche Anerkennung ein – und für einen verbesserten Opferschutz der Frauen die TATSÄCHLICH Opfer von Menschenhändlern sind.
3. Durch das Prostitutionsgesetz hat sich ein neuer Berufszweig etabliert: der der Sexualassistentin. Einer meiner nettesten Gäste ist ein Rollstuhlfahrer aus einem Ort der rund 150 km entfernt ist. Um mit mir zusammen sein zu können, nimmt er eine längere Anfahrt und zusätzliche Übernachtungskosten in Kauf – denn mein Domizil ist nicht behindertengerecht, sondern wir müssen uns in einem barrierefreien Hotel in der Nachbarschaft treffen. Dieser Mensch ist ein schlagender Beweis dafür, dass ein Mann nicht aufhört ein Mann zu sein, nur weil er auf den Rollstuhl angewiesen ist. Sollen solche Gäste in Zukunft AUCH kriminalisiert werden?
Nehmen Sie es mir bitte nicht übel – aber ich habe den Eindruck, dass Sie und ihre MitstreiterInnen einfach zu sehr in der christlich-konservativen Weltsicht verhaftet sind und bestimmte Wandlungsprozesse einfach ausblenden. Das ist wenig hilfreich. Meine herzliche Bitte an Sie: springen Sie über Ihren Schatten und suchen Sie das Gespräch mit Sexarbeiterinnen die NICHT auf dem Drogenstrich arbeiten.
Mit freundlichen Grüßen aus der ostwestfälischen Provinz
Lady Hekate
(ich bin so frei, mit meinem Künstlernamen zu zeichnen – ich hatte vor Jahren schon einmal ein Zwangsouting und das hat mir gereicht..)

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Comments
  • Wolfgang Russ
    Antworten

    Zur Zwangsuntersuchung: Es wäre viel sinnvoller, die “Safer-Sex”-Kampagnen weiter auszubauen. Denn bei der Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten spielt es keine Rolle, ob für Sex bezahlt wird oder nicht.

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