Offener Brief an Alice Schwarzer und „Emma“ bezüglich des aktuellen Artikels „Liebe Befürworterinnen der freiwilligen Prostitution!“

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Liebe Frau Schwarzer!

Vorerst möchte ich mich Ihnen kurz vorstellen.

Ich, Stefanie*, ende Zwanzig, bin seit 7 Jahren selbstständige Sexarbeiterin aus Leidenschaft. Von Anfang an absolut freiwillig, ohne Zwang oder dergleichen. Braver Steuerzahler (was leider nicht selbstverständlich ist, wie Sie aus eigener Erfahrung wissen), sozial engagiert – eben das nette Mädchen von nebenan.

Mit großem Interesse habe ich ihren letzten Artikel in der Emma gelesen – „Liebe Befürworterinnen der freiwilligen Prostitution!“

Vorausschicken möchte ich gerne einen auf Ihren Artikel bezogenen Kommentar von Sonja Dolinsek, der es bereits sehr gut auf den Punkt bringt. Da ich aber auch mit Vergnügen alles ausführlich erörtere, wie Sie Frau Schwarzer eben auch, mache ich das selbstverständlich gleich im Anschluss.

Nun zu der Antwort von Frau Dolinsek:

„Dazu habe ich eigentlich nicht viel zu sagen, außer: Ja, ich befürworte freiwillige Prostitution. Denn wer das nicht tut, befürwortet notwendigerweise ihr Gegenteil, die unfreiwillige Prostitution, den Menschenhandel und die sogenannte “Zwangsprostitution”.

Wer freiwillige Prostitution abschaffen will und die ganze politische Energie in der Bekämpfung der selbstorganisierten unabhängigen Sexarbeiter*innen steckt, fordert mehr Zwang. Das ist einfache Logik.“

Ebenfalls möchte ich auf folgendes großartiges Zitat von Frau Dolinsek, nicht verzichten: „Vielleicht kommt das nächste Mal ein Brief an die “Befürworterinnen des freiwilligen Sexes”, weil man den ja abschaffen und bekämpfen muss, um ….öh….. was….?! Vergewaltigung zu bekämpfen?“

Nun zu mir. Auch ich sehe es so. Ich möchte mir meinen Traumjob nicht verbieten lassen. Ich möchte weiterhin legal arbeiten können und mich dabei wie andere Menschen aus anderen Branchen nicht einschränken lassen und auch nicht in die Illegalität abrutschen.

Was bedeutet es für mich, wenn Prostitution abgeschafft wird? Es bedeutet für mich nicht, dass ich in eine andere Branche Wechsel. Ich liebe diesen Job und würde ihn dann auch weiter ausüben. Jedoch mit gravierenden Folgen! Ein Kunde kann dann die Situation der Illegalität ausnutzen und Dinge von mir verlangen die ich nicht anbiete (wie zum Beispiel Verkehr ohne Schutz). Er kann verlangen, dass ich meine Dienstleistungen ihm gegenüber kostenlos erbringe und mir drohen, mich bei der Sitte zu verpfeifen. Will ich das? Wollen Sie das damit bezwecken?

Die aktuelle politische Situation ist nicht viel besser. Mindestalter ab 21 und Zwangsregistrierung (auf die anderen Bereiche gehe ich jetzt nicht ein, das sprengt den Rahmen). Was bedeutet das? Menschen, die unter 21 in der Prostitution arbeiten sind illegal! ab 18 darf man zwar den „Dienst an der Waffe“ ausüben aber nicht erotische Dienstleistungen anbieten. Paradox! Zwangsregistrierung ist eindeutig Zwangsouting. Gerade in kleineren Städten – jeder kennt jeden. So spricht sich das sofort rum. Die Folgen sind verheerend! Wie meine Kollegin Tanja bereits im Sat1 Interview erwähnte, hat man extreme Probleme eine Wohnung privat anzumieten. Es gibt aber auch andere gravierende Probleme. Wie sieht es aus mit (Alleinerziehenden) Müttern? Werden diese vor dem Jugendamt mit einem solchen „verruchten“ Job ernst genommen? Was geschieht mit den Kindern einer „Hure“ – Thema Mobbing! Wie sieht es aus mit der Einreise in andere Länder? In die usa zum Beispiel, bräuchte ich nicht mehr einreisen – da werde ich als polizeilich registrierte Prostituierte sofort wieder nach Hause geschickt.

Somit bin ich eine geächtete Frau – ein Mensch – ohne Rechte!

Im Gegensatz zu Ihnen, liebe Frau Schwarzer, finde ich es großartig, dass auch immer mehr die Medien davon mitbekommen, dass Prostitution nicht gleich Zwang ist. Ich empfinde es als schön und es war auch dringend nötig es in die Öffentlichkeit zu tragen, dass es freiwillige Prostitution (was im übrigen auch die Mehrheit ist) gibt. Das auch haben wir Ihnen zu verdanken! Hätten Sie nicht so einen Wirbel gegen Prostitution ins Leben gerufen, wären wir – die freiwilligen Prostituierten – wohl niemals auf die Barrikaden gegangen! Herzlichen Dank!

„Pro-Prostitution“ eine deutsche Haltung? Nein, Frau Schwarzer!

Sie sagen in anderen Ländern wird Prostitution als „white slavery“ betitelt. Und wie sieht es in Deutschland aus? Es ist die schmuddel Ecke! Es ist eine Moral Sache! Wir sind alles schreckliche Huren! Und selbstverständlich sind wir die armen die unter „Zwang“ arbeiten müssen. Ist das besser? Aber nicht nur in Deutschland gehen Prostituierte und deren Befürworter auf Protest. Ebenso gibt es in anderen Ländern eine Pro-Prostitutions-Bewegung. Dafür empfehle ich Ihnen einfach einmal die google Suche zu benutzen. Erstaunlich, was sich da alles finden lässt!

Frau Schwarzer, Sie schreiben: „Die meisten Frauen haben heute eine weitgehend selbstbestimmte Sexualität und ein eigenes Begehren.“ Absolut Richtig! Und das soll auch bitte so bleiben. Ich möchte weiterhin bestimmen was ich mit meinem Körper mache. Ich würde es als menschenunwürdig empfinden, meine Dienstleistungen und auch Neigungen ausschließlich privat und unentgeltlich anbieten und ausleben zu dürfen! Mein Job, wäre dadurch nur noch ehrenamtlich, oder illegal möglich.

Sie schreiben: „Frauen, die sich prostituieren, geht es ums Geld…“ Absolut richtig! Es geht aber auch Menschen in anderen Berufsgruppen ums Geld! Fragen sie doch mal die Kassierer/in beim Supermarkt ihres Vertrauens, die Fleischwarenfachverkäufer/in, die Unternehmensberater/in, die Flugbegleiter/in, die Anwätlin…. Rein ehrenamtlich würde kein Mensch arbeiten – es sei denn man hat den glücklichen Umstand, es sich leisten zu können.

Auch ich arbeite manchmal ehrenamtlich als Prostituierte *lächel*

Sie schreiben: „Dann solltet ihr mal die wunden Vaginas und zerrissenen Münder der Prostituierten sehen…“ Frau Schwarzer!! Ich bin schockiert! Sehen sie sich etwa regelmäßig die Vaginas von Prostituierten an? Ich hoffe sie zahlen wenigstens dafür und zwingen die Damen nicht dazu, es kostenlos zu machen…

Ich für meinen Teil, kann nur über meine Vagina sprechen – diese war noch nie wund….

Mein Mund war leider schön öfters – jedoch nur nach Zahnarzt besuchen…

Frau Schwarzer, Sie können sich sehr gerne in Angelegenheiten einmischen, wenn sie sich auskennen. Das was Sie hier publizieren ist gefährliches Halbwissen! Um auf Ihr Beispiel von Amazon Mitarbeitern einzugehen, die es ja so viel besser haben…

Zum Glück bin ich Prostituierte und kein Amazon Mitarbeiter. Ich kann mir eine wunderschöne eigene Wohnung mitten in der bayrischen Landeshauptstadt leisten. Ich kann in meinem eigenem Bett schlafen (und nutze dieses auch nur für private Zwecke) und ich habe keinen Vorgesetzten von dem ich mich bevormunden lassen muss.

Prostitution mit Organhandel zu vergleichen ist absurd! Ich verkaufe meinen Körper nicht, nicht einmal Teile davon! Ich bin und bleibe der einzigste Besitzer davon! Ich verkaufe meine Zeit, meine Dienstleistungen – genauso wie es Menschen in anderen Branchen auch machen!

Gerne erinnere ich Sie auch an ein Zitat aus Ihrem Leitbild bzw. aus „meine Positionen“.

„Echte Feministinnen können nur autonom sein, denn die Interessen der Frau vertritt keine Partei oder Gewerkschaft wirklich.“ Daraus entnehme ich, dass Sie, liebe Frau Schwarzer, angeblich die Interessen von Frauen vertreten möchten. Warum wollen dann ausgerechnet Sie, uns Frauen, die sich freiwillig prostituieren, die Rechte nehmen? Auch wir sind Frauen, die selbstbestimmt leben möchten!

Zum Schluss will ich Ihnen ein paar Dinge mit auf den Weg geben… Vorsicht, sie sind durchaus provokant und auch ironisch zu verstehen. Es unterstreicht aber deutlich Ihre Denkweise….

– Denken Sie doch mal an die armen, schutzlosen Dominas die sich von Ihren gefesselten Sklaven, alles gefallen lassen müssen…

– Denken sie an die wehrlosen Frauen in Bordellen und Laufhäusern, die sich keine Hilfe holen können, da sie in diesen Räumlichkeiten total abgeschirmt von ihren Kolleginnen sind und auch Hilferufe niemals gehört werden können!

– Denken Sie doch mal, an die armen Sexualassistentinnen von Menschen mit Behinderungen, gerade querschnittsgelähmte Kunden gehen besonders grob mit diesen Frauen um!

– Denken sie an escort Damen! Deren Kunden suchen die Freundin auf Zeit…. und als „Scheinfreundin“ wird man selbstverständlich schlecht behandelt!

– Denken Sie an die wundgescheuerten Vaginas von Erotik-Masseurinnen!

– Denken Sie an….

Herzlichst, Ihre Stefanie*

*(Name von der Redaktion, wegen Gefahr auf Zwangsouting, geändert.)

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Showing 6 comments
  • sunflower22a
    Antworten

    inhaltlich völlig richtig, ausgezeichnet. Aber warum kann man diese blöde Schwarzer nicht einfach endlich ignorieren? je mehr derartige Briefe an die geschrieben werden, desto mehr wird sie immer wieder wichtiger gemacht als sie ist. Wichtig ist Schwesig oder andere Entscheidungsträger. Aber diese olle alte Kuh, die wird nur wichtig gemacht, leider auch mit solchen Briefen.

    • shining
      Antworten

      Auch richtig.. trotzdem wichtig das die Sexarbeiter auch mal selbst zu Wort kommen. Und dafür ist ja unser Blog da 😉

      • sunflower22a
        Antworten

        ja klar, völlig d’accord. ich meine ja nur, es wäre sinnvoller massenhaft solche Briefe an Schwesig und andere Entscheidungsträger zu schreiben statt an Nicht-Entscheidungsträgerinnen wie Schwarzer.

      • steffi33
        Antworten

        solche briefe an schwesig zu schicken ist genauso wirkungsvoll wie mit ihr persönlich zu sprechen. leider! es interessiert sie nicht die bohne!
        sicher wird das thema schwarzer dadurch wieder aufgegriffen. aber dieser offene brief wird auch gelesen. von uns, von prostitutionsgegnern und hoffentlich auch von entscheidungsträgern. es ist wichtig solche botschaften und solche meinungen nach außen zu tragen. weil alles was im verborgenen stattfindet, wird nicht gehört und nicht gesehen.
        die aktion in nürnberg wurde zwar nicht von schwesig gehört (auf diesem ohr ist sie leider taub), es wurde jedoch von der presse nach außen getragen und von der breiten masse gehört. und das war wichtig!

  • paulkaufmann
    Antworten

    Ein sehr guter, aus guten Gründen wutbeladenes Statement. Wie ein selbstgerechter „Gutmenschenmob“ unter Führung von Schwarzer durch die Presse und Öffentlichkeit zieht ist unerträglich.

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