Medien: Und die Moral von der Geschicht…
…glückliche Huren gibt es nicht?
Ich muss gestehen, bevor ich mich intensiver mit dem Thema Sexarbeit beschäftigt und auseinander gesetzt habe, war ich wohl sehr naiv und bin immer davon ausgegangen, das wenn ich Polit-Talkshows sehe, Tageszeitung und große Magazine wie den Stern oder Spiegel lese, das ich von denen mit möglichst allen relevanten Informationen versorgt werde, die ein Thema betreffen. Ich dachte immer, dass allein schon das Ehrgefühl eines guten Journalisten voraussetzt, dass er vorab intensiv recherchiert und ausgewogen berichtet. So das der interessierte Leser oder Zuschauer sich anschließend aus dem Pool an Informationen seine eigene Meinung bilden kann.
Nunja, ich wurde eines „besseren“ belehrt… als die vielen negativen Schlagzeilen losgingen, habe ich noch in meiner Naivität gedacht: „Okay, man sollte denen einfach mal weitere Informationen zukommen lassen. Denn das worüber die dort schreiben, betrifft uns ja nicht und so etwas habe ich noch nie in der Praxis erfahren oder selbst erlebt.“
Und so haben ich, Kolleginnen und andere Unterstützer immer wieder Mails geschrieben, Stellung genommen… ja sogar Aktionen vor dem Bundestag und der schwedischen Botschaft in Berlin haben wir im letzten Jahr auf die Beine gestellt.
Doch hat jemand darüber berichtet? Nein… leider nicht.
Vereinzelt tauchen Interviews mit Sexarbeiterinnen auf, wo diese mal zu Wort kommen. Doch oft wird auch hier durch Fragen und Kommentare versucht, die Aussagen in eine bestimmte Ecke zu pushen (siehe Links unten). Der Autor stülpt dadurch praktisch seine Meinung über das ganze und vermittelt nur das, was er möchte, was beim Leser/Zuschauer ankommt. In Talkshows bekommen wir weniger Redezeit zu gewiesen und auch diese wird ständig von den Gegner torpediert.
Auch mir ist es schon oft passiert, dass ich interviewt wurde, dann aber doch lieber ein Interview gewählt/veröffentlicht wurde, welches weniger „positiv“ für Prostitution sprach. Ebenso erging es vielen Kolleginnen von mir.
Ist das ausgewogen?
Mir zeigt das sehr deutlich, das es den Medien NICHT darauf ankommt, ein möglichst realistisches Bild von der Sexdienstleistungs-Branche zu zeigen, sondern viel mehr ein Zerrbild dessen was so alles an Klischees in vielen Köpfen steckt und weiter am leben gehalten werden soll… wenn nicht sogar verschlimmert. Eindrücklich untermalt mit nackten Frauen und Highheels am Straßenrand, immer wieder ein „toller“ und vor allem „sachlicher“ Blickfang…
Und immer wieder lese und höre ich die Überschrift „Bordell Deutschland“.
Und jetzt mal Hand aufs Herz… wenn ich durch die Gegend fahre in der ich wohne (OWL), dann begegne ich keiner Prostitution. Ich sehe keine Frauen an der Straße stehen, ich sehe keine Städte hier wo ein Bordell neben dem anderen steht. Im Gegenteil. Diese liegen meist recht gut versteckt, unauffällig am Rande der Stadt und großen Publikumsverkehr kann man auch nicht sehen.
Zeigt es also ein reales Bild von Deutschland, wenn ich immer nur einzelne Viertel wie das berühmte St. Pauli in Hamburg, wo selbst dort auch kaum mehr um Prostitution geht sondern es sich leider viel mehr zum Ballermann 6 des Nordens entwickelt. Ist ein Pascha in Köln repräsentativ für den Rest von Deutschland? Ist es ein Straßenstrich in Saarbrücken oder Berlin?
Meiner Meinung nach wohl kaum. Und wie viele andere Bundesbürger in Deutschland, die NICHT in direktem Umfeld dessen leben, haben wir alle wohl kaum jemals direkten (ungewollten) Kontakt zur Prostitution gehabt.
Deutschland ist ganz sicher nicht zum Bordell verkommen. Dafür sorgen schon baurechtliche Gesetze und diverse Sperrgebiete. Allein in Baden-Würtemberg, eines der größten Bundesländer, sind 98% der Landesfläche Sperrbezirk. Meinem Verstand nach also nur 2% (!!!), wo Prostitution überhaupt erlaubt ist und stattfinden kann. Da kann man wahrlich nicht vom Bordell Deutschland sprechen, oder?!
Warum also versuchen die Medien so ein Bild zu vermitteln?
Ich kann es mir nur so erklären, dass hinter dem ganzen bewusste Manipulation steht. Der brave Bürger ist ja geneigt zu glauben, was er in Zeitungen liest. Wie gesagt, das tat ich auch mal, heute hinterfrage ich jede Schlagzeile mindestens zweimal. Und genau mit dieser Macht spielt die Presse… Gezielte Desinformation um so Stück für Stück eine Art Gehirnwäsche zu betreiben.
- Worüber wir nicht berichten ist nicht existent.
- Das worüber wir schreiben entspricht 1 zu 1 der Realitität.
Und genauso funktioniert deren Stimmungsmache…
Ist es Zufall, dass ein Herr Uhl von der CSU im letzten Sommer mit dem Artikel des Spiegel im Parlament wedelte und versuchte damit seine Rede zum geplanten neuen Anti-Prostitutions-Gesetz zu untermauern? Wohl eher kaum, denn die Personen, die bei solchen Medien-Konzernen ganz oben sitzen, sitzen dort ja nicht ohne Grund. Dort werden diese Posititionen sehr bewusst genutzt um eine ganze Nation gezielt zu lenken. Aktuelles Beispiel: Die Berichterstattung über die Ukraine. Ausgewogen kann man das sicher nicht nennen und man sieht ganz klar, dass dort mächtige Interessen die Geld- und Meinungsgeber sind und die Nachrichten in eine bestimmte Richtung steuern.
Und wenn schon keine beweisträchtigen Studien zu dem Thema existieren, dann schreiben „wir“ uns eben einen passenden Artikel zurecht, und nutzen diesen dann als Beweismittel!?
Und genau so verhält es sich bei fast allen Berichten über das Thema Prostitution. Sarazzin spricht vom Tugend-Terror… ich nenne es mal Moral-Terror.
Deutschland ist im Wandel. Haben wir jahrelang für unsere sexuelle Befreiung gekämpft, uns für Gleichberechtigung und Frauenrechte engagiert, so findet gerade ein beängstigender Rollback statt.
Allen voran feministische Organisationen (Emma) aber auch katholische Verbände (zb Solwodi) versuchen unserer freien Gesellschaft ihre eigenen Moral- und Wertvorstellungen aufzudrücken. Es scheint zu eine Art „Glaubenskrieg“ zu werden, in dem man versucht uns alle zu missionieren.
Sind Frauen, die gutes Geld verdienen, selbständig und in eigener Regie arbeiten und ihr Leben selbst bestimmen zu gefährlich für unsere Gesellschaft? Bei uns sollten die Alarm-Glocken angehen, wenn schon die Kleidung einer Presse-Sprecherin eine Schlagzeile wert ist. Anstatt zu sagen: Taffe tolle selbstbewusste Frau, wird versucht ihre Person zu diskreditieren. Wäre ja noch schöner, wenn Frauen frei wählen könnten ob sie sich sexy oder bieder kleiden. Skandal!
Bleibt die Frage (nicht zuletzt durch den schwarzerschen Steuerskandal): Wer steckt da hinter und wer finanziert das alles?
Links zu dem Thema:
http://menschenhandelheute.net/2013/05/28/bordell-deutschland-journalismus-auf-lucke/
http://courtisane.de/blog/?p=659
sowie eine tolle Stellungnahme mit weiteren Begründungen von Sabine Schiffer (Institut für Medienverantwortung)
Melanie, Sexarbeiterin