Schöner Schreiben über Sexarbeit
Zum einen möchten wir euch gerne DIESEN LEITFADEN ans Herz legen, den sich jeder Journalist mal durchgelesen und vor allem verstanden haben sollte.
Anschließend ein Text von Lady Hekate zu genau dem selben Thema:
Kleiner Leitfaden für den Umgang mit SexarbeiterInnen
Die Debatte um Sexarbeit ist zur Zeit wieder in vielen Medien endemisch – allerdings wissen manche Kollegen/Kolleginnen anscheinend nicht so recht, wie sie mit den VertreterInnen dieser Branche umgehen sollen. Allzu tief sitzen noch die bürgerlichen Vorurteile und die überlieferten Tabus, die auch in der Politik den Umgang mit SexarbeiterInnen prägen. Es dürfte für alle Beteiligten von Vorteil sein, wenn sich zumindest die Kolleginnen und Kollegen die im DJV organisiert sind, an bestimmte Regeln halten.
- Vermeiden Sie im Umgang mit SexarbeiterInnen jegliche Art von Süffisanz oder Herablassung. Bezeichnungen wie „Liebesmädchen“; „Liebesdienerinnen“ ; „Bordsteinschwalben“ etc. sind pejorativ und beweisen mangelnden Respekt.(Sie verwenden schließlich auch nicht den Ausdruck „Karbolmäuschen“ wenn Sie über Krankenpflegerinnen berichten.)
Der Ausdruck „Hure“ ist allenfalls dann sinnvoll, wenn die jeweilige Interviewpartnerin sich selber so bezeichnet. Es ist zwar analog zum Ausdruck „schwul“ für Homosexualität die Tendenz feststellbar, dass ein ursprünglich herablassend gemeinter Ausdruck sich innerhalb der Szene als Bezeichnung durchzusetzen beginnt – aber die Bezeichnung „SexarbeiterIn“ ist wertneutral und in einer seriösen Berichterstattung allemal vorzuziehen. - Traditionsgemäß wird Sexarbeit in(klein-) bürgerlichen Kreisen gleichgesetzt mit „Milieu“, „Kriminalität“, „Unmoral“ und „Menschenhandel“. Führen Sie sich vor Augen, dass seit der Reform des Prostitutionsgesetzes im Jahre 2002 Sexarbeit nicht mehr als „sittenwidrig“ gilt, SexarbeiterInnen sich in der Gewerkschaft Ver.di organisieren können , ein Recht darauf haben, sich krankenzuversichern und im Konfliktfall ihr Honorar einzuklagen. Männer und Frauen die ihren Lebensunterhalt – oder zumindest einen Teil ihres Lebensunterhaltes – mit sexuellen Dienstleistungen verdienen, tun nichts Illegales. Ihre Tätigkeit hat genau so ein Recht auf Achtung und Anerkennung wie jeder andere Beruf auch. Eine Nähe zu Kriminalität könnte man im gleichen Maße bei Vermögensberatern(Betrug), Lebensmittelproduzenten(Lebensmittelbetrug) oder der Edelgastronomie(z.B.Steuerhinterziehung) konstatieren – es würde aber niemand auf den Gedanken kommen hier von vornherein eine Symbiose zu unterstellen und mit der entsprechenden Verengung des Blickwinkels zu recherchieren.
- Ebenso unzulässig ist die pauschale Gleichsetzung von Sexarbeit mit „Menschenhandel“. Der Arbeitsbereich erotische und sexuelle Dienstleistungen ist in dem gleichen Maße von der Problematik des Menschenhandels tangiert wie die fleischverarbeitende Industrie oder -seit kurzem – die Pflege. Allerdings würde niemand auf den Gedanken kommen, eine Fleischwaren-Fachverkäuferin als bedauernswertes Opfer der „Fleischeslust“ der Mehrzahl der Bevölkerung zu betrachten, einen Fleischermeister mit eigenem Betrieb als potenziellen Kriminellen oder einen Geflügel-, Schweine – oder Rinderzüchter als Tierquäler zu bezeichnen. Und das obwohl es immer wieder Skandale im Bereich der Massentierhaltung gibt. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen – und das ist allemal ein Kennzeichen für mangelnde Seriösität des jeweiligen Berichterstatters.
- Machen Sie sich frei von dem Gedanken, dass Sexualiät etwas Schmutziges oder etwas Heiliges ist. Beides wird den Tatsachen des Lebens nicht gerecht. Der Sexualtrieb ist zunächst einmal genau so ein elementares Bedürfnis wie Hunger und Durst. Intimität, Erniedrigung, Überhöhung sind vom jeweiligen situativen Kontext abhängig. Und ein Mensch, der sich von Berufs wegen mit Sexualität befasst ist genau so seriös wie die VertreterInnen anderer Berufszweige.
- Es ist das Recht einer jeden Berufsgruppe, sich zu organisieren und in Berufsverbänden und/oder Gewerkschaften zusammenzuschließen. Die Gleichsetzung einer solchen Berufsvereinigung mit der „Prostituitonslobby“ zeugt, wenn nicht von Böswilligkeit, so doch von einer geradezu sträflichen Naivität gegenüber den Mechanismen der Marktwirtschaft. Der Unterschied zwischen einer frei arbeitenden Sexworkerin, der Betreiberin eines Dominastudios, der Betreiberin/dem Betreiber eines Escortservice und dem Betreiber eines Großbordells ist mindestens so gravierend wie der Unterschied zwischen dem Tante-Emma-Laden ,dem Delikatessenhandel und dem Lebensmitteldiscounter. In beiden Fällen ist der Monopolist nicht der „Freund“ des kleineren Vertreters der Branche ! Das sollten Sie im Hinterkopf behalten, wenn Sie mit einem Vertreter/ einer Vertreterin eines Berufsverbandes sprechen, der sexuelle und erotische Dienstleistungen vertritt.
Es zeugt von schlechtem Stil und mangelnder Seriösität, oder doch zumindest einer geringen Kenntnis der Materie, sämtliche Spielarten des Gewerbezweiges „Sexuelle Dienstleistungen“ in Bausch und Bogen unter dem Begriff „Prostitutionslobby“ zu subsummieren. - Die Forderung eines „Sexkaufverbots“ ist ebenso weltfremd, wie die Prohibition in den Vereinigten Staaten von Amerika in den 30er Jahren weltfremd war. Es geht weder darum, Sexarbeit zu verteufeln, noch darum, sie zu glorifizieren – was wir brauchen ist ein nüchterner, pragmatischer Blick. Alles andere ist Ideologie und in einer seriösen Berichterstattung fehl am Platze.
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Zitat aus 3.:
„Allerdings würde niemand auf den Gedanken kommen, eine Fleischwaren-Fachverkäuferin als bedauernswertes Opfer der ‚Fleischeslust‘ der Mehrzahl der Bevölkerung zu betrachten, einen Fleischermeister mit eigenem Betrieb als potenziellen Kriminellen oder einen Geflügel-, Schweine – oder Rinderzüchter als Tierquäler zu bezeichnen. “
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Also – da würde aber sofort jeder Veganer widersprechen. Im Übrigen finde ich – als Prostitutionsbefürworter – diesen Vergleich mit der Fleischindustrie sowieso ziemlich problematisch. Vielleicht solltet ihr da lieber nach einem anderen Vergleich suchen. Ich z.B. sage immer: Nur, weil es Zwangsheiraten gibt, verbieten wir ja auch nicht das freiwillige Heiraten. Und genauso sollte man das bei der Prostitution auch sehen: Nur, weil es Zwangsprostitution gibt, sollte man auch nicht die freiwillige Prostitution verbieten.
Es ging da wohl lediglich um den Vergleich, das man andere Berufen nicht gleich perse als kriminell einstuft. Letztes Jahr habe ich einen Vortrag von einem Rechtsanwalt zu diesem Thema gehört. Er sagte richtigerweise, da das Sexgewerbe unter ständiger Kontrolle und polizeilicher Aufsicht steht, wird mehr entdeckt. Würde man die gleiche Anzahl an Kontrollen in anderen Branchen durchführen, würde auch in den Branchen die „Kriminalitätsrate“ steigen. Denn Recht und Unrecht gibt es überall. Nur schaut man bei den einen weg und bei den anderen genau hin.
Ausgezeichnet. Auch schon gesondert den einzelnen Redaktionen aller Medien unterbreitet?
Schade, daß der Leitfaden so tut, als wenn es keine Frauen unter der Kundschaft von SexarbeiterInnen gäbe.
Bezogen auf welchen der beiden Texte? Wenn du da Ideen hast für eine Ergänzung oder einen eigenen Beitrag zu dem Thema veröffentlichen möchtest, sehr gerne!