Konzessionierung – Gewerberechtliche Reglementierung von Prostitution zwischen Anerkennung und erneuter Ausgrenzung

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Im folgenden gibt es sehr viel zu lesen… aber alle hier aufgeführten Informationen sind ungemein wichtig, wenn man das Thema „Konzessionierung“ bzw erlaubnispflichtiges Gewerbe , wie aktuell wieder gefordert, und seine Instrumentalisierung im Kampf gegen Prostitution verstehen möchte:

 

Ein Schritt vorwärts, zwei zurück:

Gewerberechtliche Reglementierung von Prostitution zwischen

‚Anerkennung‘ und erneuter ‚Ausgrenzung‘ 

 

Vortrag von Frances auf den 2. Frankfurter Prostitutionstagen

22. bis 24. November 2013

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

geradezu lawinenartig sind in den letzten 4 Jahren insgesamt 5 Vorschläge für eine „gewerberechtliche Reglementierung“ von Prostitution vorgelegt worden.

  1. Im Mai 2010 gab es eine Entschließung des Bundesrats,
  2. im Oktober 2010 ein Positionspapier der Innenministerkonferenz in Hamburg,
  3. im März 2013 den Entwurf für ein „Bremisches Prostitutionsstättengesetz“ von SPD- und Grünen-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft,
  4. im Juni 2013 gab es den Entwurf der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP für ein „Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten“
  5. und schließlich dazu einen Änderungsantrag der Bundestagsfraktion der Grünen, ebenfalls vom Juni 2013.

Es scheint so, dass diese einzelnen Lawinen sich in nächster Zeit zu einer einzigen großen Lawine vereinen und die Sexarbeiter/innen unter sich begraben. Ich möchte mit diesem Bild deutlich machen, dass wir Sexarbeiterinnen keinen Grund haben, die angekündigten gewerberechtlichen Regelungen als Beglückung zu empfinden. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest: Die vorgeschlagenen Regelungen taugen nicht einmal dazu, um das Prostitutionsgewerbe nüchtern und pragmatisch im Sinne eines gesellschaftlichen Interessens-aus-gleichs zu regeln.

Und regeln – das möchte ich ausdrücklich betonen – sollte man das Prostitutionsgewerbe allemal. Denn wir sind ein großer Wirtschaftszweig, wir sind schon lange keine Nischenökonomie mehr. Selbstverständlich brauchen wir Regelungen, – aber bitte schön auf Augenhöhe, – mit Respekt gegenüber den Sexarbeiter/innen, – ohne erneute Diskriminierung und – unter Einbeziehung der Sexarbeiter/innen und ihrer Organisationen.

Noch ein Gesetz, dass an den realen Bedingungen der Sexarbeit in der Prostitution vorbeizielt, brauchen wir nicht!

Und wir brauchen auch kein Gesetz, das die Anliegen von Alice Schwarzer berücksichtigt. Wir brauchen ein Gesetz, dass unsere Anliegen berücksichtigt. Denn wir müssen am Ende mit dem Gesetz leben, nicht Frau Schwarzer.

Natürlich sollten wir genau sagen, was uns an den vorliegenden Vorschlägen und Gesetzentwürfen nicht passt. Dazu müssen wir uns mit ihnen befassen.

 

Vier Ungereimtheiten

Bevor ich auf einzelne Punkte zu sprechen komme, die mir wichtig erscheinen, möchte ich zuvor auf einige Ungereimtheiten eingehen, die mich stutzig gemacht haben.

Manche von uns haben eine Zeit lang gesagt: Mensch, das ist doch nicht verkehrt, wenn Prostitution jetzt übers Gewerberecht geregelt wird wie jeder andere Wirtschaftszeig auch. Das ist doch auch eine Art „Anerkennung“ von Prostitution. Das ist doch tausendmal besser als die jetzigen Regelungen über das Strafrecht.

Im Strafrecht haben wir bekanntlich einen ganzen Sack voll Sonderregelungen, die sich auf Prostitution beziehen und aus den finsteren Zeiten der Diskriminierung und Verfolgung stammen.

Um nur einige zu nennen:

  • Art. 297 EGStGB Verbot der Prostitution durch Sperrgebietsverordnungen,
  • § 180a StGB Ausbeutung von Prostituierten,
  • § 181a Zuhälterei
  • § 184f Jugendgefährdende Prostitution und
  • § 232 StGB Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung.

 

Diese Regelungen werden immer gern als Bestimmungen zum Schutz von Prostituierten dargestellt. Tatsächlich aber schützen sie die Gesellschaft vor Prostitution und reißen insbesondere uns Sexworker aus dem gesellschaftlichen Zusammenleben.

Um es nochmal klar zu sagen: Der Kauf und Verkauf sexueller Dienstleistungen ist heutzutage ein riesiger Wirtschaftszweig. Das reguliert man nicht per Strafrecht und mit der Polizei. Das macht man im Arbeitsrecht, im Zivilrecht, im Steuerrecht – und nicht mit diskriminierenden Sonderregelungen.

Nun sollte man meinen, dass die geplanten Neuregelungen im Gewerberecht die strafrechtlichen Bestimmungen ersetzen würden. Pustekuchen!

Das Gewerberecht, so heißt es in sämtlichen Vorschlägen und Gesetzentwürfen, gibt es selbstverständlich „zusätzlich“ zum Strafrecht. Die strafrechtlichen Regelungen sollen nicht nur bleiben, sie sollen sogar noch weiter verschärft werden.

Hallo?

Wenn ich eine neue Wohnung beziehe, gebe ich normalerwiese meine alte Wohnung auf. Wenn ich mir ein neues Auto kaufe, verkaufe ich in der Regel mein altes oder lasse es verschrotten. Nur in der Prostitution ticken die Uhren wieder mal anders. Da ist eine erste Ungereimtheit.

Kommen wir zu einer zweiten Ungereimtheit. Seit 10 Jahren muss ich mir anhören, dass das, was ich seit 30 Jahren mache, eigentlich gar kein „richtiger Beruf“ ist. Einige sagen das differenzierter: Aber das ist doch „kein Beruf wie jeder andere“!

Wie das rüberkommt und was das bedeutet, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Was glauben Sie, würde ein Schwarzafrikaner empfinden, dem man mit Blick auf seine dunkle Hautfarbe andauernd sagt: „Du bist zwar ein Mensch, aber du bist doch „kein Mensch wie jeder andere“. Und wenn alle Kinder hierzulande denken würden: Ein Dunkelhäutiger? – Das ist doch „kein Mensch wie jeder andere“!

Jeder weiß, dass die ständige Wiederholung der Binsenweisheit, dass alle Menschen verschieden sind, schnell in Rassismus und Diskriminierung umschlagen kann. Überall würde sofort davor gewarnt.

Nur bei Prostitution, da ticken die Uhren mal wieder anders. Da darf man das.

Für eine Ungereimtheit halte ich es, wenn genau die Leute, die immer sagen „Prostitution ist doch kein Beruf wie jeder andere“ uns jetzt sagen:

Ja, aber ihr braucht doch gewerberechtliche Regelungen! Schließlich seid ihr das „älteste Gewerbe“ der Welt! Lasst euch gewerberechtlich regulieren – wie jeder andere Beruf, wie jeder andere Wirtschaftszweig auch!

Hier wird mit gespaltener Zunge gesprochen. Und das macht mich stutzig.

Und dann kam in den letzten 7 Jahren der unvermeidliche Vergleich mit der Frittenbude: „Es kann nicht sein“, heißt es, „dass jede Frittenbude in Deutschland eine Vielzahl von Genehmigungen benötigt, für den Betrieb eines Bordells aber keine Erlaubnis erforderlich ist.“ Dabei wird unter den Teppich gekehrt, dass es für Frittenbude keine Sondergesetz im Strafrecht gibt. Und desweitern, haben Sie schon mal eine Razzia beim Currywurst essen erlebt wo man Sie gleich mit an die Wand gestellt hat?

Man tut gerade so, als würde das Prostitutionsgewerbe sich einer Gleichbehandlung verweigern. Ausgerechnet diejenigen, die uns seit Jahrzehnten und Jahrhunderten einer rechtlichen Sonderbehandlung unterwerfen, kommen nun daher, als seien sie „Gleichstellungsbeauftragte“.

Nun soll man diesen Menschen natürlich nicht absprechen, dass sie dazulernen können. Aber auch hier Fehlanzeige und Ungereimtheiten. Denn Prostitutionsstätten sollen zukünftig erlaubnispflichtig werden und sollen eine Konzession benötigen. Der Vergleich von Bordell und Pommesbude war also eine billige Stammtischparole. Dahinter verbirgt sich nach wie vor der ungebrochen Wille zur Ungleichbehandlung. Auch das macht mich stutzig.

Man glaubt natürlich, eine „gewerberechtliche Reglementierung“ von Prostitution erfolgt logischerweise (wie bei anderen Gewerbezweigen auch) über die allgemein geltende „Gewerbeordnung“. Wer so denkt, denkt zwar logisch, hat aber vergessen, dass im Umgang mit Prostitution die Uhren immer anders ticken!

Die Gesetzesvorschläge von CDU/CSU und GRÜNEN im Bund vom Juni 2013 sahen zwar eine Regelung über die Gewerbeordnung vor. Aber in Bremen haben sich SPD und GRÜNE längst auf ein so genanntes „Prostitutionsstättengesetz“ jenseits der Gewerbeordnung, also auf ein Sondergesetz verständigt.

Ein solches Sondergesetz ist auch der dringende Wunsch der Innenministerkonferenz. Auch das BKA hat nichts dagegen. Der Grund:

„Vermietungen“ und „Verpachtungen“ werden nicht von der Gewerbeordnung erfasst, diese erlaubt mithin keine Überwachung und Kontrolle der angeblich so gefährlichen Wohnungsprostitution.

„Die Hoffnung der Politik, die Prostitution aus der Schmuddelecke herausholen und lediglich mit dem Gewerberecht regeln zu können, hat sich nach Ansicht von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) zerschlagen“, hieß es aus Anlass der 190. Sitzung der Innenministerkonferenz in Hamburg (nachzulesen in der Nordsee-Zeitung vom 26. Mai 2010). Am 2. Juni 2010 erklärte der „Runde Tisch Prostitution“ in Hamburg in seinen Empfehlungen: „Das Gewerberecht erscheint nicht als der richtige Regelungsort für eine solche Erlaubnis, weil u. a. nicht alle Betreiber von Prostitutionsstätten Gewerbetreibende im Sinne des Gewerberechts sind und deshalb als solche nicht erfasst würden.“

Und am 11. Oktober 2010 legte der Bremer Innensenator Mäurer der 191. Innenministerkonferenz ein Positionspapier vor, wo es hieß: Die Annahme, Prostitution sei über das bestehende Gewerberecht zu regulieren, habe sich „als Irrtum erwiesen“.

Polizeibehörden und Polizeiminister fordern also ein Sondergesetz für Prostitution. Wieder eine Ungereimtheit. Denn bei Prostitution gilt: „Wo Gewerberecht draufsteht, ist nicht Gewerberecht drin“. So viel „gewerberechtliche Anerkennung“ scheint uns Sexarbeiter/innen also gar nicht zu teil zu werden.

 

Was kommt auf uns Sexarbeiterinnen zu?

Um das zu wissen, muss man einen Blick auf die bereits vorliegenden Positionspapiere und Gesetzentwürfe werfen.

Die „gewerberechtliche Reglementierung“ von Prostitution bezieht sich auf zwei Sachverhalte, die wir unterscheiden müssen:

 

  1. die Regelungen für Prostitutionsstätten und
  2. die Regelungen in Bezug auf die einzelne Sexarbeiterin.

 

Ich beginne mit den „Prostitutionsstätten“. Denn erstens stehen sie im Mittelpunkt der öffentlichen Auseinandersetzung, zweitens arbeitet der größte Teil der Sexarbeiterinnen in solchen Prostitutionsstätten und wäre damit von den neuen Bestimmungen betroffen.

Ginge es nach dem Wunsch der CDU/CSU, dann sollten Prostitutionsstätten nach als „überwachungsbedürftige“ Betriebe gemäß Gewerbeordnung eingestuft werden. Nach den Vorstellungen des Bundesrats, der Innenministerkonferenz, des BKA, der SPD und der

Grünen hingegen sollen Prostitutionsstätten als „konzessionspflichtige Betriebe“ eingestuft werden. Letzteres dürfte sich nach meiner Meinung durchsetzen. Der Unterschied ist: Konzessionspflichtige betrieb haben Auflagen einzuhalten. Dazu komm ich später.

Manche denken bei „konzessionspflichtigen Prostitutionsstätten“ möglicherweise an ein Großbordell oder FKK-Wellnessclubs, also an größere Einrichtungen, wo viele Frauen tätig sind und Regelungen natürlich unabdingbar sind.

Vergessen Sie diese Vorstellung!

Denken Sie daran: Wir sprechen über Prostitution, hier ticken die Uhren anders. Hier geht es um Totalüberwachung.

 

Wie definiert man eine Prostitutionsstätte?

Nach den Vorstellungen der Innenministerkonferenz, aber auch der GRÜNEN beginnt eine Prostitutionsstätte, die zu konzessionieren wäre, bereits ab 2 Sexarbeiterinnen. Das heißt, für jedes Appartement, das sich zwei Frauen zwecks Ausübung der Prostitution teilen, muss in Zukunft eine Konzession beantragt werden.

Der Kontrollwahn, der darin zum Vorschein kommt, wird aber noch getoppt, und zwar vom Bremer Gesetzentwurf. Dort heißt es in § 1: „Betreiber einer Prostitutionsstätte ist, wer Räumlichkeiten zu dem Zweck selbst nutzt oder Dritten zur Verfügung stellt, dass in ihnen sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht werden.“

Hier ist genau genommen schon jede einzelne Sexarbeiterin, die in ihren eigenen vier Wänden sexuelle Dienstleistungen anbietet, eine konzessionspflichtige Betreiberin einer Prostitutionsstätte. Das aber bedeutet, dass sie sich vorab einer Zuverlässigkeitsprüfung unterziehen muss. Überprüft wird mittels Führungszeugnis, Einblick ins Gewerbezentralregister bzw. Bundeszentralregister.

Unzuverlässig können nach dem Bremen Gesetzentwurf auch Sexarbeiter/innen sein, die gegen Auflagen des „Gesundheitsrechts“ verstoßen und dementsprechend aus der Prostitutionsstätte fernzuhalten sind.

Aber gehen wir jetzt in der weiteren Betrachtung einmal von der wohl eher typischen Konstellation einer betreibergeführten Prostitutionsstätte aus, in der – sagen wir sechs bis sieben Frauen sexuelle Dienstleistungen anbieten. Und unterstellen wir darüber hinaus, es gäbe dort einen teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter, der das Organisatorische managt.

In diesem und in anderen Fällen gilt: Auch wenn die Einrichtungen bereits seit Jahren bestehen, werden sie nun nachträglich eine Genehmigung, sprich: Konzession beantragen müssen.

 

Beantragung einer Genehmigung

Das ist die erste Hürde: Man muss eine Konzession beantragen. Diese aber bekommt man nur, wenn nichts Negatives vorliegt, was als „Versagungsgrund“ gelten kann. Wann aber kann eine erstmals beantragte Konzession versagt werden?

Das kann schon damit beginnen, dass die „örtliche Lage“ der Prostitutionsstätte dem „öffentliche Interesse“ oder der Sperrgebietsverordnung zuwiderläuft. Hier sieht man, wofür die Beibehaltung der alten Strafrechtsbestimmungen gut ist:

Sie werden integriert in die Konzessionierung.

Die Bundesratsinitiative 2010 und auch Bremen 2013 lehnen eine Erlaubnis ab, wenn der Antragsteller „wegen einschlägiger Milieudelikte vorbestraft“ ist. Wissen Sie, was gegenwärtig das bedeutendste „einschlägige Milieudelikt“ ist? Es ist der Menschenhandelsparagraf § 232 StGB. Die meisten Fälle betreffen hierbei die Beschäftigung von unter 21-jährigen Frauen in der Prostitution, was für sich genommen ein Delikt ist, ohne dass Zwang und Gewalt vorliegen muss. Die meisten Verurteilungen zu Menschenhandel fallen in diese Kategorie.

Auch der GRÜNEN-Entwurf von 2013, sieht genau das vor, allerdings mit der Einschränkung, dass eine Verurteilung zu mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe binnen der letzten 5 Jahre vorliegen muss.

Nun könnte man ja der Meinung sein, Betreiber von Prostitutionsstätten dürften im Unterschied zu Bankmanagern und sonstigen Gewerbetreibenden niemals nach besagten „einschlägigen Milieudelikten“ verurteilt worden sein. Wer glaubt, dass würde ausreichen, der irrt.

In Bremen schießen SPD und GRÜNE den Vogel ab. Dort soll eine Erlaubnis versagt werden, wenn (ich zitiere) „er oder sie gemeinschaftlich mit einem anderen eine  Prostitutionsstätte betrieben hat, der oder die beim Betrieb der Prostitutionsstätte wegen einer der genannten Deliktgruppen strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.“ (§ 4 Abs. 1)

Mit anderen Worten: Es reicht nicht aus, wenn ein Antragsteller/in für eine Konzession selbst unbescholten ist. Ein „Versagungsgrund“ ist die frühere Zusammenarbeit mit jemandem, der mit dem Gesetz in Konflikt kam. Früher nannte man das „Sippenhaft“.

Aber es kommt noch schlimmer. Eine Konzession wird auch versagt, (ich zitiere) „wenn in einer anderen Prostitutionsstätte, die der Antragsteller betreibt oder betrieben hat, Straftaten der genannten Deliktgruppen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begangen wurden.“

Hier muss also weder der Antragsteller noch ein anderer/früherer Mitarbeiter strafrechtlich in Erscheinung getreten sein. Es können gänzlich andere Leute sein, mit denen der Antragsteller gar nichts zu tun hatte, die in einer früher betriebenen Prostitutionsstätte wegen einschlägiger Delikte bis hin zu Körperverletzung verurteilt wurden. Schon wird keine Konzession erteilt!

Doch selbst so viel Willkür scheint noch nicht genug! Für die Ablehnung einer Konzession reicht bereits, (ich zitiere) „wenn zu befürchten ist, dass er oder sie Vorschriften des oder Auflagen aufgrund des Bremischen Prostitutionsstättengesetzes, des Gesundheitsrechts, des Arbeits- oder Jugendschutzes nicht einhalten wird.“

Hier werden also Behördenmitarbeiter befugt, Prognosen über die zukünftige Persönlichkeitsentwicklung eines Antragstellers abzugeben. Ein hervorragender Hebel für Willkürentscheidungen! Es geht um die rechtliche Absicherung einer Verdachtskultur gegen jede und jeden im Prostitutionsgewerbe.

Mag sein, dass derart absurde Bestimmungen nicht Eins zu Eins in ein zukünftiges Bundesgesetz aufgenommen werden. Aber sie zeigen den Geist, der diese Gesetze durchdringt.

 

Auflagen

Hat eine Betreiberin oder ein Betreiber die Konzession für eine Prostitutionsstätte bekommen, so ist sie keineswegs im grünen Bereich.

Jetzt greift das Räderwerk der Auflagen, die erfüllt werden müssen. Wer glaubt, es geht hierbei um bessere und sichere Arbeitsbedingungen für Sexarbeiterinnen, ist im Irrtum. Seht euch die Debatten der letzten Jahre und Monate an! Was stand denn da im Mittelpunkt? Ausgangspunkt der Debatten um Konzessionierung waren doch nicht etwa die mangelnde sanitäre Ausstattung oder fehlende separate Gästetoiletten oder die Mindestgröße und der Bodenbelag der Zimmer? Das hat doch niemanden interessiert.

Und weil das so ist, sage ich: Es geht hier gar nicht um bessere Arbeitsbedingungen. Es kostet sie auch nichts, dazu ein paar Vorgaben in die Gesetze reinzuschreiben.

Das einzige, was sie wirklich interessiert, ist die lückenlose Kontrolle der Sexarbeiterinnen. Darum geht es. Nicht umsonst ist die Hysterie um den so genannten Menschenhandel Anstoß und Brandbeschleuniger der Konzessionierungs-Debatte.

Es geht um die Verbesserung der behördlichen und polizeilichen Kontrolle. Und in den Gesetzesvorschlägen zur Konzessionierung finden sich dazu fünf Punkte, die man sich merken sollte:

  • Da ist erstens die geplante Anzeigepflicht für Sexarbeiter/innen in Prostitutionsstätten. (So fordern es der Bundesrat 2010, die IMK 2010 und die Grünen 2013)
  • Da ist zweitens die Meldepflicht der Betreiber, die die bei ihnen tätigen Frauen zukünftig den Behörden melden müssen, und zwar (ich zitiere) „mindestens einen Werktag vor Aufnahme der Beschäftigung“ (Bremen 2013, § 8 Abs. 3)
  • Da sind drittens geplante Kontrollpflichten der Betreiber/innen, zum Beispiel hinsichtlich eines Gewerbescheins der Frauen oder hinsichtlich des Aufenthaltsrechts ausländischer Sexarbeiterinnen (Bremen 2013)
  • Da ist viertens die Dokumentationspflicht bzw. die Pflicht zur Offenlegung sämtlicher Rechtsverträge für Betreiber/innen hinsichtlich sämtlicher Verträge und Absprachen mit Sexarbeiter/innen, und zwar in Schriftform. (Bundesrat 2010, IMK 2010, Bremen 2013)
  • Und da wäre fünftens – sozusagen als Sahnehäubchen – die von Bundesrat und IMK 2010 geforderte Ausweispflicht für Sexarbeiter/innen.

 

Ich bin der Meinung, dass das Ganze – auch wenn nur ein Bruchteil davon verwirklicht wird – auf eine bundesweite polizeigeführte Huren-Datei, wie bis in den achtziger Jahren üblich war, – auf ein umfassendes Bewegungsprofil der Sexarbeiterinnen, das heißt auf eine Rund-um-Total-Überwachung der Frauen führt.

 

Kontrollen im Rahmen von ‚Auskunft und Nachschau‘

Sollte das ganze gewerberechtlich geregelt werden, käme zudem noch § 29 Gewerberecht zur Anwendung. Dieser Paragraf besagt, dass bei „reinen Geschäftsräumen“ und in der „üblichen Geschäftszeit“ jederzeit Kontrollen vorgenommen werden können. Im Klartext: anlasslose und verdachtsunabhängige Kontrollen.

Die etwas altmodisch klingende „Nachschau“ steht dabei für „Besichtigungen“ unterhalb der Schwelle eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses. So heißt es in einem einschlägigen Rechtskommentar:

„Um eine Durchsuchung im Sinne des Art 13 II Grundgesetz könne es sich bei einer Nachschau nicht handeln, da es bei einer Nachschau an einer für Durchsuchungen charakteristischen zielgerichteten Suche nach bestimmten Personen oder Sachen fehle“. (Tettinger, Wank, Ennuschat, Gewerbeordnung Kommentar, 2011, S. 316)

Bei Räumen, die zugleich Wohnzwecken dienen, liegt zwar ein Eingriff in Art. 13 GG vor. Doch eine Nachschau bedarf dann keiner richterlichen Anordnung, wenn eine „Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ zu befürchten ist. Und eine solche Gefahr gilt zum Beispiel als gegeben, wenn wichtige Rechtsgüter wie beispielsweise die „Sittlichkeit“ gefährdet sind.

 

Für mich steht fest:

Entgegen der landläufigen Behauptung, dass eine Konzessionierung zu besseren oder sichereren Arbeitsbedingungen führt, geht es bei Meldepflicht, Anzeigepflicht, Dokumentationspflicht, Kontrollpflicht und Ausweispflicht sowie bei „Auskunft und Nachschau“ tatsächlich gegen das Recht von Sexarbeiterinnen auf freie und ungehinderte Berufsausübung.

 

Und deswegen bin ich gegen die Konzessionierung.

 

Ziel der Kontrollen: Eindämmung der Prostitution

Um eine Frage sollten wir uns hierbei nicht drücken: Wozu das Ganze?

Warum diese massive Ausweitung von Kontrolle?

Was wird damit bezweckt?

Nun, es geht um die Eindämmung der Prostitution.

Prostitutionsgegner sprechen das offen aus, aber die Konzessionierung ist das praktische Räderwerk der Eindämmung, ist der Mechanismus, wie sie arbeitet und funktioniert.

Das „Schwedische Modell“ versucht durch Freier-Kriminalisierung die Nachfrage zu drosseln. Eine ziemlich primitive Methode, die in einem urbanen und entwickelten Land wie Deutschland nicht funktionieren wird.

Beim „Deutschen Modell“ hingegen setzt man nicht bei der Nachfrage, beim Endkonsumenten an, hier will man Prostitution bereits an der Quelle, nämlich beim Angebot sexuellen Dienstleistungen ersticken:

  • Versagungsgründe bei der Beantragung einer Konzession
  • massive Auflagen für den laufenden Betrieb und schließlich
  • ständige Drohung mit Untersagungsverfahren bei Nichteinhaltung von Auflagen sollen das Leben dermaßen schwer machen, dass viele entnervt das Handtuch werfen.

 

Bremen will bei einem Verstoß gegen Auflagen Bußgelder zwischen 5.000 € und 25.000 € verhängen. Das ist nur ein kleiner Vorgeschmack. Denn bei der Nicht-Einhaltung von Auflagen oder einer zwischenzeitlichen Bestrafung zu „einschlägigen Milieudelikten“ kann man sich ein Untersagungsverfahren nach § 35 Gewerbeordnung einfangen.

Die Folge einer „gewerberechtlichen Untersagung“ wäre übrigens das Verbot der selbständigen Ausübung von Prostitution – und zwar lebenslang und bundesweit. Es handelt sich dabei um ein Berufsverbot, das schärfer gefasst ist als in den allgemeinen Strafrechtsbedingungen nach § 70 StGB („Anordnung des Berufsverbots“), wo eine zeitlich begrenzte Dauer von ein bis fünf Jahre festgelegt ist.

Wer die Aufhebung einer Untersagung beantragt, darf das frühestens nach einem Jahr und trägt zudem die Beweislast dafür, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass keine Unzuverlässigkeit mehr vorliegt.

 

Schutz vor Ausbeutung?

Um das Ganze nicht so repressiv erscheinen zu lassen, spricht man von einem „Schutz vor Ausbeutung“. Das sagen ausgerechnet die Politiker, die es hierzulande geschafft haben, dass jeder vierte Beschäftigte mittlerweile im Niedriglohnsektor arbeitet! (Deutschland ist hinter Litauen das Land mit dem zweitgrößten Niedriglohnsektor in Europa.)

Der Schutz vor Ausbeutung, den man den Sexarbeiterinnen schmackhaft machen will, ist jedoch eine vergiftete Gabe: Nicht die Ausbeutung, sondern jegliches Management und Organisation von Prostitution sollen bekämpft werden. Die Botschaft soll lauten: Es lohnt sich nicht mehr, in das Prostitutionsgewerbe zu investieren.

Vier Hebel sind hierbei entscheidend:

  • zukünftig soll ein „Betriebskonzept“ (Bundesrat 2010) bzw. ein „Geschäftsplan“ vorgelegt werden, wenn eine Konzession beantragt wird. (Grüne 2013);
  • Arbeitsbedingungen in der Prostitution werden durch kleinteilige Auflagen und Dokumentationspflichten einem Regelungswahn unterworfen, der abschreckend wirken soll;
  • jedes Missverhältnis zwischen gewährter Leistung einerseits und vermögensvorteilen andererseits soll mit Untersagungsverfahren, sprich: Betriebsschließungen geahndet werden (Bremen 2013; Grüne 2013);
  • staatlicherseits soll die Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtend werden, auch wenn mangels Weisungsrecht bzw. mangelnder Verpflichtung der Sexarbeiter/innen zu sexuellen Dienstleistungen gar kein reguläres abhängiges Beschäftigungsverhältnis besteht.

Die Folge:

Jeder auf Gewinnerzielung orientierte Betrieb von Prostitutionsstätten wird unmöglich, ein schleichendes Massensterben von Prostitutionsstätten wird unter dem Regime der Konzessionierung einsetzen.

Ist der Prostitutionsdienstleistungssektor erst einmal auf diese Weise geschrumpft, wird man den verbleibenden Rest einer Komplett-Entrechtung unterwerfen.

 

Schlussbemerkung

Gegen die hier aufgezeigte Entwicklung bin ich ganz entschieden. Lasst uns in der Sexarbeiter-Bewegung endlich Klartext und nicht mehr um den heißen Brei herum reden. Ich jedenfalls möchte eine Konzessionierung nicht mitgestalten, ich lehne sie entschieden ab.

Natürlich sind wir für Regelungen im Prostitutions-Gewerbe. Nicht aber für Regelungen auf der Grundlage von Konzessionierung und Überwachung, sondern für Regelungen mit Sachverstand und auf Augenhöhe. Die Eckpunkte einer solchen Regelung, die wir akzeptieren können, lassen sich in zwei einfachen Forderungen zusammenfassen:

 

  1. Gewerberechtliche Anerkennung von Prostitutionsstätten als „anzeigepflichtige Gewerbe“ nach § 14 Gewerbeordnung! Keine Konzessionierung mit eingebauter Überwachung!
  2. Anerkennung selbständiger Prostitutionsstätigkeit als freiberufliche Tätigkeit; keine Einstufung als der einzelnen Sexarbeiter/innen als Gewerbetreibende mit Gewerbeschein!

 

Und wenn wir in Zukunft mehr mit Politikern reden und in der Öffentlichkeit auftreten, dann sollten wir uns eines gut merken:

So wenig es „ein bisschen schwanger“ gibt, so wenig gibt es „ein bisschen Konzessionierung“, wo die Überwacher und die Kontrollierten gleichermaßen profitieren. Es gibt nur „Entweder – Oder“. Wir müssen uns entscheiden. Wer sich nicht entscheidet oder herum eiert, der verspielt genau das, was uns wichtig ist:

Unser Recht auf Gleichbehandlung mit anderen Berufen und unsere Würde!

(Anbei noch diese PDF-Datei, die sich noch intensiver mit dem Gewerberecht und der Konzessionierung und ihren Folgen beschäftigt: Was wäre wenn… Konzessionierung)

Vielen Dank!

 

Frances, Sexarbeiterin

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