Faktencheck Amnesty International: Entkriminalisierung von Sexarbeit

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Die furchtbar unsachlichen und verleumderischen Pressemeldungen der letzten Tage haben uns dazu bewogen, mal einen Faktencheck aufzustellen, über die (teils bewusst?) falsch dargestellte Position von Amnesty International:

Behauptung Nr. 1: Amnesty von Sexindustrie-Lobby unterwandert

Fakt: Im Gegensatz zu vielen selbsternannten „Hilfe“-Organisationen hat Amnesty „lediglich“ über 2 Jahre lang weltweit selbst mit SexarbeiterInnen gesprochen und recherchiert, wo die größten Gefahren und Risiken in der Sexarbeit liegen. Dies nun so zu interpretieren, dass AI von der „Sexindustrie-Lobby“ unterwandert wurde, ist ein Schlag ins Gesicht aller Beteiligten. Allen voran den SexarbeiterInnen selbst, die nichts anderes getan haben, als ihre eigene Stimme zu nutzen und Amnesty International über ihre tatsächlichen Probleme zu berichten. Wer diese Stimmen nun ungehört machen will, versucht die Sexarbeiter selbst zu entmündigen und ihnen das Recht abzusprechen, für sich selbst reden zu können.

Behauptung Nr. 2: Amnesty kämpft jetzt auch für Zuhälter

Fakt: Wer das behauptet, hat gar nichts, aber auch rein gar nichts verstanden oder gelesen. Zuhälterei ist in Deutschland eine Straftat, welche Ausbeutung und Zwang beinhaltet. GENAU dagegen soll auch weiterhin vorgegangen werden. Wie auch AI in seiner Position schreibt:

“ Uns ist wichtig herauszustellen, dass Amnesty International jegliche Form von Menschenhandel aufs Schärfste verurteilt. Dies betrifft natürlich auch den Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Menschenhandel stellt einen schwerwiegenden und abscheulichen Menschenrechtsverstoß dar und muss gemäß Völkerrecht strafrechtlich verfolgt werden.“

und

„In unserer Position geht es nicht darum, Zuhälter_innen zu schützen. „Dritte“, die Sexarbeiter_innen ausbeuten oder misshandeln, werden nach dem von uns vorgeschlagenen Modell auch weiterhin strafrechtlich verfolgt.“

Quelle Amnesty Deutschland

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen oder falsch zu interpretieren. Sollte man meinen.

Man muss ganz klar die Begriffe trennen und die Gesetze des jeweiligen Landes studieren. Ein Betreiber einer Prostitutionsstätte in Deutschland ist perse kein Zuhälter, solange er sich an die geltenden Gesetze hält. In Frankreich oder Schweden gilt es bereits als (gegenseitige) Zuhälterei, wenn sich 2 SexarbeiterInnen eine Wohnung zum Arbeiten teilen und wird strafrechtlich verfolgt.

Behauptung Nr. 3: Amnesty kämpft jetzt auch für Legalisierung der Prostitution

Fakt: Nein. Sechs. Setzen!

AI kämpft von nun an für die ENTkriminalisierung der Sexarbeit. In Deutschland zum Beispiel war Sexarbeit bereits VOR dem Prostitutionsgesetz von 2002 legal. Aber bis heute noch lange nicht entkriminalisiert. Damit ist die Abschaffung jener Gesetze gemeint, die Sexarbeit kriminalisieren oder die Ausübung behindern (zb. Sperrbezirke, Werbeverbot), inklusive jeder Regulierung, die restriktiver ist als für vergleichbare Berufe (Registrierungspflicht bei der Polizei, Zwangsberatung).

Eine sehr gut ausgearbeite Definition der Begriffe Legalisierung und Entkriminalisierung kann man hier  nachlesen.

Behauptung Nr. 4: Die Entkriminalisierung schadet den Frauen in der Prostitution mehr als das sie helfen würde

Fakt: Wer frei in der Sexarbeit arbeiten kann und über sämtliche Rechte verfügt wie jeder andere Erwerbstätige, ist unabhängig von etwaigen Zuhältern und/oder braucht sich nicht verstecken und eventuelle Strafen zu fürchten.
Verbote treiben die Menschen in der Sexarbeit in den Untergrund. Sie können nicht offen arbeiten und um Kunden werben. Sie sind deshalb angewiesen auf ein Netzwerk von Dritten, die sie vor polizeilichen Zugriffen schützen oder ihnen Kunden besorgen. Wenn es zu Ausbeutung, Gewalt oder ähnlichem kommt, sind Sexarbeiter nicht in der Lage sich an die Polizei zu wenden, da sie dann mit weiteren Sanktionen und Strafen statt Hilfe rechnen müssen.
Ebenso wird in vielen Ländern der Welt zb auch das mitführen von Kondomen als Beweis für Sexarbeit angesehen. Was den Schutz vor Krankheiten massiv erschwert.
Das sind nur einige der Gründe, warum Entkriminalisierung so wichtig ist.

 

 

euer schutz ist unser zwang

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Showing 2 comments
  • Karl Mallinger
    Antworten

    Vielleicht sollte man auch endlich mal anfangen davon zu reden, dass nicht nur Prostituierte sondern auch Freier Rechte haben, insoweit, dass es keine ethisch-rechtliche Grundlage gibt, sie zu bestrafen. Bzw. dass sie genauso wenig eine Strafe „verdient“ haben wie die Prostituierten. Weder behinderte Freier wie der inzwischen recht bekannte Brite Asta Philpot noch nichtbehinderte Freier. Beide Gruppen sind nicht die „eigentlich Bösen“ in der Prostitution.

    Oder anders ausgedrückt:

    Die Frage ist nicht: „Ist es im Sinne der Prostituierten sinnvoll es wie die Schweden zu machen und die Freier zu bestraften.“. Sondern die Frage ist vielmehr: „Warum und wofür genau sollten Freier überhaupt Strafe ‚verdient‘ haben, wenn sie doch nur ein Angebot einer Prostituierten annehmen?

    Ich würde mir wünschen, dass Amnesty International auch zu den Freiern und der Frage, ob sie „eigentlich“ schuldiger sind als die Prostituierten (oder eben doch ganz genauso unschuldig!) noch einmal Stellung bezieht.

  • domenika1streng@googlemail.com
    Antworten

    Freierforen haben mE die größte Schuld an allem Unheil überhaupt! Frauen werden über diese Foren von ihren Zuhältern wieder gefunden , tabulose Angebote in den Himmel gehoben , Sexarbeiterinnen die Safer Sex bieten schlecht gemacht , Dies wird nirgendwo erwähnt , dabei orientieren sich 2 Drittel aller Kunden nur noch über diese …..halte mich lieber zurück.

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