Eröffnungsfeier der Beratungsstelle TAMAR für Prostituierte

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Eröffnungsfeier der Beratungsstelle TAMAR für Prostituierte in Soest für den märkischen Kreis, den Hochsauerlandkreis, Kreis Siegen-Wittgenstein

Die Feier bestand aus einem Gottesdienst, dann Kaffee und Kuchen, mehreren Begrüßungsreden und anschließenden Gesprächen.

Die Frauen, die ich als Sozialarbeiterinnen in Beratungsstellen für Prostituierte kennen gelernt habe, sind überwiegend akzeptierend bis prostitutionsfreundlich, so wie ich auch die beiden Mitarbeiterinnen für die neue Beratungsstelle TAMAR, einschätze. Eine der beiden kenne ich aus anderen Veranstaltungen schon einige Jahre und sie ist immer akzeptierend und respektvoll, vertrauenswürdig und engagiert gewesen (Sabine Reeh). Die 2.Mitarbeiterin (Frau Batzik)machte einen sehr sympathischen Eindruck und auf mich und meine Kollegin, sie wirkte genauso freundlich und kompetent. Ich kann mir gut vorstellen, mich bei Problemen dort beraten zu lassen und anderen Frauen eine Beratung zu empfehlen.

Ich finde es prima und eine gute Sache, dass es TAMAR für diese Region gibt und wünsche den Sozialarbeiterinnen alles Gute für ihre Beratungsarbeit.

Das ist mir ganz wichtig zu sagen, denn ich schätze und respektiere die meiste Arbeit und die meisten der Sozialarbeiterinnen der Beratungsstellen. Aber die Meinungen und Bewertungen einiger kirchlicher Vertreter finde ich widersprüchlich, anmaßend, diskriminierend.

Drei von vier dieser anfangs erwähnten Teile der Feier waren gut bzw. zufriedenstellend. Zum Gottesdienst waren wir nicht da, Kaffee und Kuchen waren super lecker, die Gespräche waren interessant, anspruchsvoll, etwas überschäumend, weil einige Differenzen bestehen, aber insgesamt ok.

Nun zum wirklich miesen Teil – zu einigen der Reden. Vor allem die erste (von Herrn Fiedler) empfand ich als abstoßend, unwissend, diskriminierend – ich musste mich zusammenreißen, um nicht vorzeitig zu gehen. Mehrere Male kam „Frauen in Not“, denen man eine Perspektive zeigen muss, deren Ausstieg man unterstützen muss, deren Elend und Not man lindern muss, damit sie ein Leben in Sicherheit und Würde finden (natürlich außerhalb der Sexarbeit, denn darin kann es das in dessen Vorstellungswelt nicht geben). Überhaupt ist Ausstieg aus der Prostitution das große Thema der Kirche – dadurch entstehen die Diskriminierungen, dass man nicht auf gleicher Ebene miteinander spricht, denn die Kirche und viele Vertreter sehen ein Leben als Prostituierte als falsch an, der Ausstieg ist das Ziel. Das widerspricht dem Punkt, den sich TAMAR als Zielsetzung nennt „Beendigung von Diskriminierung“. Dieses Ziel nehme ich erst ernst, wenn man den Beruf als SexarbeiterIn gleichwertig ansieht.

Ist schon bitter, wenn einem die eigene Tätigkeit als Beruf abgesprochen wird, wenn ich tolerant sein soll und die Meinung anerkennen soll, mein Beruf wäre keiner. Zum Glück hat meine Kollegin gesagt, naja, ich wollte auch nicht Pfarrerin werden, ist für mich auch kein Beruf wie jeder andere.

Als in einem anderen Grußwort (Barbara Mengel, Vorstandsmitglied der Evangelischen Frauenhilfe in Westfalen. e.V.) der Satz fiel „denken Sie daran, Sie sind vielleicht die Einzigen, die deren Würde achten“, hats mich innerlich geschüttelt und ich dachte bei mir, die Mehrzahl meiner Kunden bringt mir wesentlich mehr Achtung entgegen als Menschen, die die Arbeit als Sexarbeiterin nicht als gleichwertig ansehen und die Stigmatisierung verstärken, indem sie Sexarbeit mit den ganzen negativ-Klischees belegen, die wir gewohnt sind um die Ohren geschlagen zu bekommen (Unter anderem das Klischee, wie einfach es ist, ein Bordell zu eröffnen).

Die Beratungsstelle nannte Frau Mengel als eine Erweiterung der Antigewaltarbeit – da haben wir es – die sieht Sexarbeit als Gewalt. Sobald Sexarbeit aber Gewalt wird, ists keine Sexarbeit mehr.

Das Grußwort ging 10 min weiter um die Zeichen des Nummernschildes, das der Beratungsbus bekommen soll – die Buchstaben „I“ und „E“ für „in Erwartung“, die Zahl „8“ für „achthaben“ (ich dachte, die hat doch einen im Tee, so ein Kindergartengequatsche), anschließend noch Schokoladen-und Blasentee–Geschenke (ist das ne Sozialarbeitergeschichte, dachte immer Blasenkrankheiten kommen von zu viel Ficken), irgendwie habe ich das Gelächter und die Witze darüber nicht verstanden und fand alles nur so albern, ich war aber auch super abgenervt von der ersten Rede und der Selbstbeweihräucherung und wieviel Kraft und Stärke die benötigen werden und hoffentlich mit Gottes Hilfe auch haben, um den Widrigkeiten, die den Sozialarbeitern entgegenschlagen, bewältigen zu können.

Das Ganze abgemildert hat Pfarrerin Diana Klöpper, die kritisch Stellung bezog zu der Anti-Prost-Kampagne (die einige Mitglieder in den höheren Rängen der ev. Kirche unterschrieben), sich eindeutig gegen ein Verbot der Sexarbeit ausspricht, und die aus der biblischen Geschichte von den Frauen TAMAR erzählte, das war in Ordnung und interessant.

Ich weiß, dass die AIDS-Hilfe und Beratung wichtige Themen sind, wichtig für alle Menschen die Sex haben, aber in der Überleitung kam das so rüber als wären Prostituierte extrem gefährdet. Das ist wissenschaftlich nicht richtig (Es gibt verschiedene Studien zu diesem Thema, u.a. auch eine, die Sexarbeitern eine bessere Gesundheit zuweist).

Man könnte verrückt werden bei den vielen sprachlichen Diskriminierungen in den Reden, da sind wir doch schon weiter! Viele Beratungsstellen vermeiden diskriminierende Begriffe wie Ausstieg (Erklärung: Das Wort „Umstieg“ ist passender und nicht-diskriminierend) oder Hilfe (besser: Unterstützung, Förderung) oder „Mädchen“ (Frauen ab 18 sind keine Mädchen und unter 18 können sie keine Sexarbeiterinnen sein, das ist strafbar) oder „Prostituierte/Prostitution“ (dafür haben sich die nicht so negativ belegten Begriffe „Sexarbeit/Sexarbeiterinnen“ eingebürgert). Und auch die Ablehnung das Wort „Einstiegsberatung“ als Angebot mitaufzunehmen ist diskriminierend.

Übrigens: In einer Beratungsstelle hat mir eine Sozialarbeiterin erzählt, dass viele Klientinnen sich anfangs so verstellen als wollten sie aussteigen, um eine Beratung zu erhalten. Die sind dann ganz erleichtert, wenn sie merken, nein, du darfst ruhig weiter Sexarbeiterin bleiben, du erhältst die gleichen Angebote auch ohne einen „Ausstieg“ zu planen.

Nach den Grußworten haben wir in kleineren Runden diskutiert, das war wieder in Ordnung, im Gespräch haben einige verstanden bzw. von sich aus gesagt, dass sie das Grußwort von Herrn Fiedler negativ empfunden haben und unsere Wut verstehen können.

Für die Grußworte kann die Beratungsstelle nix – das laste ich denen nicht an und wie oben bereits geschrieben, bin ich vollständig überzeugt, dass sie gute Arbeit leisten werden. Und deren Taten zählen mehr.

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