Die falschen Huren der Rettungsindustrie

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Generell sind Prostitutionsgegner ja nicht bereit, uns in ihre Diskussionen mit einzubeziehen (siehe auch hier). Und so kommt es wohl auch, dass sie zur Unterstreichung ihrer Thesen bei öffentlichen Veranstaltungen andere Frauen wählen und diese als Ex-Prostituierte oder gar „Prostitutions-Überlebende“ ausgeben, obwohl diese Frauen niemals als Prostituierte gearbeitet haben. Hiermit werden ganz bewusst die Massen getäuscht und belogen. Die Öffentlichkeit wird hier mit konstruierten Schreckensszenarien bewusst getäuscht, um ein Verbot der Prostitution zu bewirken…

Nun, für mich ist es schon ein Armutszeugnis, wenn man mit Lug und Betrug arbeiten muss, weil die Beweise für die eigenen Behauptungen fehlen.

Achtung: Aktualisiert am 26.04.2014 um Fake Nr. 4

Aufklärung tut also Not:

Fake Nr. 1: Rachel Moran aus Irland 

Rachel Moran ist Buch-Autorin und bezeichnet sich selbst als „Prostitutions-Überlebende“. (Ein Hohn für alle Überlebende des NS-Regimes) Natürlich schrieb sie ein Buch über ihre angebliche Vergangenheit in der Prostitution. Sex sells und Horror-Märchen lassen sich besonders gut zu Geld machen.

Sie wurde (und wird) benutzt in der Kampagne von Mary Honeyball, um die Empfehlung für das Prostitutions- und Sexkaufverbot innerhalb der EU zu begründen und durchzusetzen (siehe zb hier und hier etc). Mittlerweile taucht Rachel Moran auch auf deutschen Veranstaltungen der Prostitutionsgegner auf (siehe zb hier).

Da es berechtigten Zweifel am Wahrheitsgehalt ihrer Geschichte gibt wurde natürlich nachgefragt. Das war auch recht einfach, denn die Szene der Prostitution in Dublin ist klein und so kennt man sich gut untereinander. Es ist absolut üblich das die Sexarbeiter zusammen halten und auf der Straße gegenseitig auf sich aufpassen. Und so müsste man, besonders wenn man, so wie Rachel Moran angeblich jahrelang dort tätig war, recht bekannt sein. Aber niemand dort hat Rachel Moran jemals gesehen. Es existiert mittlerweile sogar eine eidesstattliche Versicherung darüber, die dies widerlegt. Siehe PDF.

Darin wird bestätigt, dass jene Person im gleichen Zeitraum an den gleichen Orten gearbeitet hat, welche Rachel Moran in ihrem Buch als Beweis angibt. Sie wurde dort aber niemals in all den Jahren angetroffen.

Zitat übersetzt ins deutsche:

Ich verkaufte sexuellen Dienstleistungen auf der Waterloo und Burlington Straße in Dublin … ca. zwischen Juni / Juli 1987 und März / April 1993 … Ich arbeitete dort 5 oder 6 Nächte in der Woche in der Regel … [ankommen] ab etwa 9.30 Uhr und [arbeiten], bis mindestens 02.30 Uhr. Ich verbrachte die meiste Zeit auf der Straße entweder unterwegs zu Fuß oder an zwei Orten: 

  • An der Spitze der Waterloo Road von der Ecke Wellington Lane
  • In der Nähe der Ecke der Burlington Road außerhalb von Dublin Institute of Advanced-Technologie

Bei kaltem oder nassem Wetter konnte ich auch in meinem Auto sitzen, entweder an der Spitze der Waterloo Road, oder Burlington Road mit Blick auf Waterloo Road. Die Sexarbeiter und Stammkunden waren eine kleine Gemeinschaft, die mit der Stammkundschaft einer Kneipe verglichen werden könnte, so kannten wir uns alle gegenseitig, zumindest vom Sehen und erkannten sehr wohl schnell neue Leute, ungewöhnliche Vorkommnisse oder irgendeiner Form auch Kriminalität oder Missbrauch. Jede Frau, die ich damals kannte, arbeitete unabhängig, für sich selbst, abgesehen von zwei Frauen, die in persönlichen Beziehungen waren (…)

Zu keinem Zeitpunkt habe ich jemals Rachel Moran, Autorin von „Paid for“ und Gründer der „Space International,“ gesehen oder von ihr gehört, noch irgend jemand der ihr ähnlich sah, arbeitete in diesem Bereich. In ihrem Buch, in dem sie behauptet, in der Nähe der Ecke Wellington Lane vom frühen Abend bis „in die Nacht“ gearbeitet zu haben, zudem nur 15 Meter von mir entfernt für mehrere Stunden und in den meisten Nächten. Ich habe mehrere Leute aus dieser Zeit befragt … und niemand sonst kennt sie, und niemand konnte bezeugen, dass sie dort, oder in irgendeiner  anderen Form von Sexarbeit im Wohnungs-oder Straßenbereich tätig war (…)

Da muss man sich natürlich gemäß ihres Buchtitels „Paid for“ (Bezahlt dafür) fragen:

Wer bezahlt Rachel Moran für ihre Rolle als angebliche „Prostitutions-Überlebende“, wenn sie nachweislich nie dort gearbeitet hat und all ihre Aussagen, der bisherigen Faktenlage nach, falsch sind?

Weitere Infos dazu: http://maggiemcneill.wordpress.com/2014/03/11/played-out/

Fake Nr. 2: Nadine Winterstein

In der Sendung Tacheles  behauptet Nadine Winterstein ab der 21. Minute, als Prostituierte gearbeitet zu haben. Wohlweislich verschweigt sie aber, das sie sich nur in das Bordell begeben hat, weil sie ein Buch schreiben wollte. Ihre herzzerreißende Story während der Talkshow erzählt da bewusst eine ganz andere Geschichte…

Buch siehe:

http://www.epubli.de/shop/buch/IM-ROTLICHT-Nadine-Winterstein-9783844279306/33634

Es gab auch lange eine Internet-Seite von ihr, wo nie ein Wort davon stand, das sie selbst Prostituierte war. Im Gegenteil, man las viele Falschbehauptungen und natürlich viel Werbung für ihr Buch.

http://stophumantrafficking.eu/  heißt die Webseite, die mittlerweile abgeschaltet wurde. Zufall? Schaut man unter http://www.eurid.eu/en/whois-search, kann man noch sehen, das diese Domain auf sie registriert ist.

Fake Nr. 3: „Lisa Heller“

Missiom Freedom braucht für seine „Hilfsprojekte“ Geld, bevorzugt aus Spenden. Und so braucht es natürlich auch „Opfer“, mit denen man seine (angeblichen) Erfolge belegen kann. So wurde irgendwann eine „Lisa Heller“ ein Aushängeschild dieser Sekte. Angeblich wurde sie von ihrem Vater in die Prostitution gezwungen und … oh welch Wunder… Mission Freedom schaffte es, sie zu „retten“. So die Version von Gaby Wentland, Kopf der Organisation.

Diese Geschichte wurde nun aber längst von der Hamburger Polizei widerlegt.

„Lisa Heller“ hat nie in der Prostitution gearbeitet und ihr Vater war zu der von ihr vorgegeben „Zwangszeit“, nachweislich in der Türkei.

Zitat:

„Diese Geschichte ist frei erfunden“, sagt Jörn Blicke, der das Dezernat „Milieu“ im Landeskriminalamt leitet. Das LKA hat recherchiert, immerhin hatte „Lisa Heller“ ihren Vater öffentlich eines Schwerverbrechens bezichtigt. Ergebnis: Als Kind kannte „Lisa Heller“ ihren Vater gar nicht, er hat nichts mit Prostitution zu tun, besaß nie ein Bordell.

Nachzulesen:

http://www.mopo.de/nachrichten/verein-im-zwielicht–mission-freedom—die-radikale-christin-und-die-falsche-hure,5067140,25745758.html

http://www.mopo.de/nachrichten/ihre-oma-sagt—alles-luege—der-streit-um-die-falsche-hure,5067140,25988404.html

http://www.taz.de/!133369/

oder auch im Interview der Polizei, hier zum Teil in den beiden Videos:

Fake Nr. 4: „Patricia Perquin

Wie gerade erfahren, wurde in Amsterdam auch eine weitere Person enttarnt. Infos siehe unter http://www.thisamsterdam.com/talesfromthecity/2013/03/fake-prostitute-advises-amsterdam-on-pro.php

Diese Patricia Perquin gab sich wohl als Ex-Prostituierte aus, die ehemals angeblich im Rotlicht-Viertel von Amsterdam gearbeitet hat. Natürlich hat auch sie ein Buch geschrieben über ihre „schreckliche“ Vergangenheit.

Zitat (übersetzt):

Aber der Volkskrant  hat ein wenig nachgeforscht und herausgefunden, dass Perquin – sie behauptet immer , es sei nicht ihr richtiger Name – eigentlich eine zwielichtige Journalistin und ehemaliger Junkie namens Valérie Lempereur ist (…)

Sie wurde offenbar vom Fernsehkriminalreporter Peter de Vries R wegen mehrerer Betrugsfälle entlassen und hat für eine Anzahl von anderen Publikationen und Programmen hier und in Belgien gearbeitet. Kein Rotlichtviertel Experte hat je von ihr gehört und es scheint, sie war als Verlegerin in Belgien in der gleichen Zeit mit ähnlichen Tricks wie in Amsterdam tätig. (…)

Bürgermeister Eberhard van der Laan und der ehemalige Stadtrat (jetzt stellvertretender Ministerpräsident) Lodewijk Asscher haben noch nicht auf die Reihe von Fakten über ihren „aufsteigenden Stern und Prostitutions-Expertin“ reagiert. (…)

Lempereur ging vor Gericht, in dem Bemühen, die Enthüllung ihres richtigen Namens durch Volkskrant zu stoppen (…) Scheint so, das der Amsterdamer Stadtrat nun einiges zu erklären hat.

Weitere Infos (auf niederländisch):

http://www.volkskrant.nl/vk/nl/2686/Binnenland/article/detail/3407058/2013/03/11/Ontmaskering-prostituee-en-adviseur-gemeente-Patricia-Perquin-sloeg-in-als-een-bom.dhtml


 

Ich denke, all diese Fakten benötigen kein weiteres Kommentar und sprechen für sich. Die Wahrheit findet immer ihren Weg…

Wir dürfen also berechtige Zweifel an den wahren Zielen solcher „Opfer“ und deren (unserer) „Retter“ hegen.

 

Autor: Melanie, Sexarbeiterin (nachweisbar 😉 )

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Showing 3 comments
  • Antworten

    Vielen Dank für diese Zusammenstellung. Das ist eine sehr willkommene Argumentationshilfe in der Auseinandersetzung mit Prostitutionsgegnern. Ich habe einen RT für morgen mittag geschedulet. Ich hoffe, dass es Updates gibt, sobald es neue/weitere Erkenntnisse/Fälle gibt. Ich speichere mir diesen Artikel auch und werde Hinweise hier posten, wenn sie mir vor die Füße fallen. Lieben Gruß und weiter so! 😉

    Carmen, Sexarbeiterin (auch nachweisbar)

  • Antworten

    Auf das Phänomen, dass von NGOs, die sich für Opfer von Menschenrechtsverletzungen einsetzen (insb. Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung und körperlichen Freiheit), falsche Opfer angeführt und Stories erfunden werden, um a) Geld oder b) Aufmerksamkeit zu bekommen, bin ich das erste Mal im Zusammenhang mit Afesip Camboda und der Somaly Mam Foundation gestoßen: http://en.wikipedia.org/wiki/Somaly_Mam_Foundation

    Dort gab es vor ca. einem Jahr den Fall, dass ein junges Mädchen, das in einem Werbe- und Imagefilm mutig über ihre Gewalterfahrungen sprach, diese Gewalterfahrungen gar nicht gemacht hatte. Jetzt gibt es Zweifel an der Darstellung der Leiterin, ihre Tochter sei von Kinderhändlern verschleppt worden.

    http://bebopper76.wordpress.com/2014/04/05/somaly-mam-is-lying-about-her-daughter-being-kidnapped-by-human-traffickers/ (Der Artikel hat nicht die seriöseste Aufmachung, insbesondere die Überschrift ist furchtbar. Aber zumindest kann man von dort aus weiterrecherchieren, wenn man sich dafür interessiert.)

  • Armitage
    Antworten

    Boris, vielen Dank für die Recherche!

    Zum Thema Gewalt eine Frage an die Beteiligten: Wie kann man denn mit Gewalterfahrungen umgehen? Mit einem negativen Erfahrungsbericht hier auf der Seite ist das doch nicht getan, oder? Kann Frau nicht einfach „gehen“, wenn es ihr nicht gefällt? Besteht nicht die Möglichkeit, einen ungehobelten Freier zu verklagen? Gibt es dafür Beispiele?

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