Das Köln-Prinzip

 In Prostituiertenschutzgesetz, Prostitution / Sexarbeit, Prostitution Allgemein

Durch die Vorkommnisse in der Silvesternacht in Köln ist eine breite Diskussion im Netz los getreten worden.

Weniger, weil man sich über die jeweiligen Täter empört, sondern viel mehr weil von Seiten einiger Politiker nun über „Verhaltensregeln für Frauen“ nachgedacht hat…

Was hat das nun mit dem Thema Prostitution zu tun, fragen Sie sich vielleicht gerade.

Da muss ich antworten: Eigentlich nichts, aber man erkennt anhand eben dieser Reaktionen genau die Problematik, die allen Sexarbeitern in Deutschland und weltweit zum Verhängnis wird.

Nun ist es ja so, das gerade in Deutschland über ein (und JETZT kommt der Name und seine Absurdität richtig zum tragen!) „ProstituiertenSCHUTZgesetz“ nachgedacht wird. Was bedeutet das die in der Prostitution tätige sich anmelden, prüfen und kontrollieren lassen sollen.

Warum? Um sie so angeblich vor eventuellen Gewalttaten zu „schützen“.

Eine Armlänge vs Hurenschein

Zu Recht empört sich die Nation über die rührende Empfehlung, Frauen mögen eine Armlänge Abstand zu Fremden halten, sich nur noch in Gruppen Nachts öffentlich bewegen und eventuell zu überlegen ob man wirklich hin muss, wo man hin möchte.

Hier werden Opfer zu Tätern gemacht. Ganz nach dem Motto: „Hälst du dich nicht an unsere Empfehlungen, bist du halt selbst Schuld wenn dir etwas passiert.“

Slutshaming wird dieses Phänomen auch genannt. Frauen sollten sich möglichst brav und unauffällig verhalten, dann wird ihnen auch nichts böses widerfahren und der böse schwarze Mann kommt nicht an sie ran.

Und? Hat dieser (sicherlich gut gemeinte aber nicht zu Ende gedachte) Gedanke nun Aussicht auf Erfolg? Wird sich die Welt ändern wenn sich nun alle Frauen an diese Verhaltensregeln halten?

Ganz sicher nicht.

Und ebenso wenig wird ein ProstituiertenSCHUTZgesetz dafür sorgen, das kein Menschenhandel, Gewalttaten und Missbrauch mehr stattfindet.

Kein Mensch wird durch ein solches Gesetz vor einer solchen Tat geschützt. Ebenso wenig wie es einer in Not geratenen Person helfen wird, den Arm auszustrecken wird kein Mensch vor Ausnutzung oder Menschenhandel durch einen Ausweis oder behördliche Anmeldung geschützt.

Kontrolliert werden sollen auch hier nur die Auszuübenden. Also so wie die Frauen die in Köln zu einer Silvesterparty wollten, will man nun diejenigen verstärkt kontrollieren, die zb in einem Bordell oder in ihrer Wohnung arbeiten möchten.

Mit dem festen Vorsatz das diese Vorgehensweise und vorherige behördliche Aufklärung im Ernstfall helfen soll.

Glaubt ihr ernsthaft daran?! Wirklich???

Ich nicht.

Wo bleibt hier der Aufschrei? …frage ich mich oft. Es ist genau so ein „Slutshaming“ wenn hunderttausende Menschen eine solche behördliche Registrierung durchlaufen sollen, anstatt die Gesetze gegen Menschenhandel, Vergewaltigung und Missbrauch, die bereits existieren anzuwenden!

Hier werden Menschen zu Opfern gemacht und obendrein noch selbst für ihr Verhalten zurechtgewiesen, obwohl es noch gar keine Täter gibt!

Anstatt wie auch im Fall Köln, die Täter dingfest zu machen, beschränkt man die betroffenen Personen bzw Opfer in Spé in ihrer Freiheit ein. Weil es ja soviel bequemer ist und zumindest den „Good Will“ vortäuscht. Man hat sich ja Gedanken gemacht und will ja nichts böses.

Nein, man will uns nur in unseren Rechten und Freiheiten beschneiden anstatt ganz klar Verbrechen zu verfolgen und entsprechend zu bestrafen.
Gewalttaten werden dazu instrumentalisiert um Frauen (wieder) zu entmündigen und aus dem öffentlichen Raum zu drängen.

Ein sehr schlauer Mensch* sagte einmal :

Es sagt viel über eine Gesellschaft aus, wie sie mit ihren Huren umgeht.

und

In der Gesellschaft Verständnis für die Freier, Verachtung für die Huren? Wo ein Mensch dem Anderen die Achtung, den Respekt verweigert, da kann wohl von Sünde gesprochen werden. Und damit stellt sich die Frage: Wer ist denn hier nun der oder die Schuldige?

Übersetzt für Köln heißt das wohl:

Es sagt viel über eine Gesellschaft aus, wie sie mit ihren Frauen umgeht.

In der Gesellschaft Verständnis für die Täter, Verachtung für die Frauen? Wo ein Mensch dem Anderen die Achtung, den Respekt verweigert, da kann wohl von Sünde gesprochen werden. Und damit stellt sich die Frage: Wer ist denn hier nun der oder die Schuldige?

Merkt Ihr was? Man muss nur zwei kleine Wörter austauschen… Wir stecken gerade mitten in einem historischen Rollback. Die Rechte und Freiheiten die sich Frauen über Jahre erkämpft haben, werden nun peu à peu wieder weggenommen. Wie schon während des „White Slavery“ werden solche Ängste genutzt um eigene moralische Werte durchzudrücken und letztenendes die Frau zu kontrollieren. Ganz langsam schlich es sich damals über die Regelung der Prostitution ein und wirkt sich heute noch auf die Rechte der Frauen auf der ganzen Welt aus.
siehe auch: Warum dem normalen Bürger die Anti-Prostitutionskampagne nicht egal sein sollte

*Quelle, Seite 16 – 19

 

 

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Showing 2 comments
  • Ermutiger
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    Ich sehe noch eine andere Parallele zu Phänomenen der Prostitution:

    „Doch die Umstände, in der Machos zur entfesselten Horde werden, gleichen sich über die Kulturen hinweg. [Kriminologe]Pfeiffer nennt Alkohol, der enthemmt, und die Anonymität, aus der heraus sich die Täter sicher fühlten. Dazu kommt der Druck der Gruppe mitzumachen und die Einschätzung, dass sie in Köln mit wenig oder keinen Konsequenzen für ihre Übergriffe rechnen müssen.

    Die Psychologie kennt diese Effekte aus vielen Experimenten; wenn die normalen Verhaltensregeln außer Kraft gesetzt werden, keine Sanktionen drohen, sind Menschen schnell bereit, völlig rücksichtslos zu handeln.“
    Aus: http://www.sueddeutsche.de/panorama/sexuelle-uebergriffe-in-koeln-verlierer-in-der-uebermacht-1.2810365

    Wenn sich eine Prostituierte sich in die Gewalt eines männlichen Freiers begibt bzw. sich diesem anvertraut,
    dann steht der Mann in der Gefahr die dunkle, rücksichtslose Seite seiner Person stärker auszuleben als, wenn
    + dieser sich, alkoholisiert,
    + diesem Anonymität garantiert ist,
    + ihm womöglich im Rahmen einer Party noch eine Gruppe weiterer Freier zur Seite gestellt werden,
    + er bereits in der Vergangenheit im Falle von Handlungen gegen den geäußerten Willen einer Prostituierten keine Sanktion erhalten hat.

    Damit wir Männer verantwortungsbewusst mit Euch Frauen umgehen brauchen wir die Erfahrung, dass unverantwortliches Handeln Konsequenzen hat.

    Aus diesem Grund muss ein wesentlicher Teil des ProstitutionsSCHUTZgesetz sein die Polizei in die Lage zu versetzen den Prostituierten als Freund & Helfer und kompetenter Schutz zur Seite zu stehen. Und die Justiz in die Lage versetzen Strafverfahren gegen übergriffige Freier schnell durchzuziehen. Das wiederum geht nur, wenn es sicherstellt, dass Prostituierte nicht nur Rechte haben, sondern diese auch kennen, und um die Möglichkeiten der vor Gericht akzeptierten Beweisaufnahmen wissen.
    Neben der Polizei könnte hier auch den Betreibern die den unmittelbaren Kontakt haben, eine angemessene Mitverantwortung übertragen werden, z.B. ein Bussgeld bei Vermietung an Sexworker die ihre Rechte nicht kennen sowie eine Zimmerausstattung mit einem Beweis-Aufzeichnungsknopf und einem Notrufknopf.

  • Bernhard
    Antworten

    Nicht alles, was hinkt ist ein Vergleich ;o)).

    In Köln hat die staatliche Kontrolle und Durchsetzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit versagt. „Rechtsfreie“ Räume sind m.E. zu Recht besorgniserregend, weil sie das Potential zu Gewaltexzessen haben. Sie haben alternativ das Potential zu „Parallelgesellschaften“, wenn in Abwesenheit staatlicher Kontrolle die Sache „selbst in die Hand“ genommen wird, im besten Fall, um Gewaltexzessen – aufgrund hoheitlichen Versagens – eben einen Riegel vorzuschieben. Stichwort „Bürgerwehr“ (oder „Kiezaufseher“).

    Der Bereich der Prostitution ist schon immer ein weitgehend rechtsfreier Raum gewesen, in dem Sinne, dass die Protagonisten/Protagonistinnen sich eher an „eigene“ Regeln gehalten haben, als an für alle Anderen geltenden Gesetze. Diese „eigenen“ Regeln sind dabei übrigens keineswegs durchweg zu „verdammen“, viele mach(t)en Sinn. Beispielsweise: wenn früher eine Prostituierte „Küssen“ anbot, wurde ihr das recht schnell „abgewöhnt“, damit es nicht zu einer „Grenzverschiebung“ im Verhältnis zu den Freiern kommt, und zwar zu Lasten der Frauen. Natürlich war auch dies „repressiv“, weil es ja durchaus auch Prostituierte geben soll, welche den einen oder anderen Kunden tatsächlich gerne küssen. Und dies jedenfalls früher nicht „durften“, sanktionsbedroht (wie bei einem „Gesetz“ halt).

    Allein schon deswegen hinkt dieser Vergleich gewaltig. Denn die Lehre aus „Köln“ müßte ja eher eine Verstärkung der Präsenz, Überwachung und Durchsetzung des Rechts gegenüber Rechtsbrechern sein. Stichwort: „verdachtsunabhängige Kontrollen“, was ich übrigens für bedenklich halte, zumal dies in der Praxis auch „ethnical screening“ umfassen dürfte.

    Der hier gezogene Vergleich führt also m.E. eher in eine Sackgasse.

    Eigentlich ist es ganz simpel. Jeder Mann hat jede Frau – ohne Ansehen der Profession der Frau, also (eigentlich darf es nicht der Erwähnung bedürfen!) auch im Falle einer Prostituierten – zu respektieren und zu achten. Insbesondere ihre körperliche Selbstbestimmung und Integrität zu wahren. Dieser Grundsatz gilt übrigen m.E. Gender-unabhängig und mein Bezug auf Frauen beruht einzig darauf, dass hier eine genderspezifische Betrachtungsweise offenbar stattfindet. Auch Männern stehen Respekt und Achtung zu. Sogar Freiern ;o))) (Scherz).

    Das Prostitutions“schutz“gesetz ist eine völlig andere Baustelle. Hier geht es im Kern um die Schaffung eines „rechtshaltigen“ Raums in einem Bereich, der sich bislang als weitgehend rechtsfrei verstanden (s.o.) und auch damit wohl gefühlt hat. Dass in den verschiedenen Entwurfsfassungen diverser Schwachsinn enthalten ist, ist dabei wiederum ein anderer Aspekt.

    Ansonsten, sehr viele „gefühlten“ Einschränkungen haben Schutzcharakter. Für Menschen ohne den betreffenden Schutzbedarf lästig bis nervig. Für jene in einer Situation, wo solcher Schutz benötigt wird, jedoch ein Segen. Mal ein völlig unverfängliches Beispiel: Kündigungsschutz bei Schwangeren. Es nervt den Arbeitsgeber. Es nervt und verunsichert die nur auf Zeitvertrag eingestellte Vertretung. Es schützt aber die Schwangere gegen Arbeitsplatzverlust und wirtschaftliche Not (wenn beispielsweise alleinerziehend). Zum Schutz einer Person werden also mindestens 2 Personen genervt und auch wirtschaftlich beeinträchtigt. Trotzdem wird niemand dies ernstlich abschaffen wollen.

    Ob und was in einem „Prostitutionsgesetz“ geregelt wird (und was nicht) ist daher m.E. stets eine Abwägung zwischen (berechtigtem) Schutzbestreben des Staates für Menschen in schutzbedürftigen Situationen (auch und gerade wenn es eine kleine Minderheit ist) einerseits, gegenüber der „Lästigkeit“ für all jene (hier and auch sonstwo meist die Mehrheit!) andererseits, welche in der glücklichen Lage (!) sind, des Schutzes nicht zu bedürfen.

    Eine differenzierte Betrachtung aller Detailbestimmungen und Abwägung bei jeder Einzelnen der Bestimmungen ist m.E. geboten. Und auch durchaus jeweils zu hinterfragen, ob nicht dahinter sachliche Argumente stehen, sondern möglicherweise eher ideologisch/“moralische“ Erwägungen.

    Für problematisch halte ich seitens der „Betroffenen“ die gerne geäußerte Pauschalablehnung, ergänzt durch die ebenso geäußerte Einstellung „Wenn das kommt, mache ich halt illegal weiter, ich kümmere mich dann einfach nicht darum“. Warum? Weil genau diese (!) „Denke“ auch den Ereignissen in Köln eben zu Grunde liegt, wenn auch in ganz anderen Zusammenhängen. Denn beides heißt im Kern „Ich scheiße auf Gesetze, sobald sie mir persönlich nicht nutzen“ …..

    Ich weiß, auch dieser Vergleich hinkt, wenn auch m.E. nicht ganz so …..

    Gruß, Bernhard

    P.S.: Die Katze beißt sich bei dieser speziellen Thematik natürlich oftmals in den Schwanz. Registrierung erst wenn es keine Stigmatisierung mehr gibt, die es nicht gibt, wenn der Job als normal wahr genommen wird, wo dann ja Registrierung (wie in anderen Berufen) kein Problem wäre, aber eben nicht solange es Stigmatisierung gibt usw. …… . Wo ansetzen? Solange Prostutuierte faktisch tun und lassen können,was sie wollen, werden die „Bürgerlichen“ sie immer schief ansehen, usw. ….

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