SEXarbeiterin – ein Film über Lena Morgenroth (?)

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Nun ist es also soweit… der Film „SEXarbeiterin“ läuft im Kino! Vor gut 1,5 Jahren startete das Team rund um den Regisseur Sobo Swobodnik mit der Protagonistin Lena Morgenroth ein Crowdfunding um ihr Film-Projekt zu finanzieren. Der Trailer damals war schon ziemlich ansprechend und so war ich doch ziemlich gespannt, was daraus für ein Film entstanden ist. Ja, ich hätte ihn auch schon letztes Jahr bei der Team-Premiere sehen können, für das ich ja immerhin ein Ticket „gekauft“ hatte. Aber leider konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht nach Berlin.

Nun war es eben Bochum, wo ich den Film endlich sehen konnte. Am 06. März fand dort in Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle Madonna e.V. eine Vorführung des Filmes statt, mit anschließender Diskussions bzw. Frage-und-Antwort-Runde statt.

Ganz ehrlich? Ich hatte ein wenig Bedenken, ob ich den Film nicht langweilig finden werde.. ist es doch eigentlich nichts neues was ich da sehe. Ich kenne Lena von vielen Veranstaltungen, kenne das Leben von vielen Kolleginnen und ich selbst bin ja auch eine von „denen“.
Die Film-Kritiken, die bis zu dem Tag veröffentlicht wurden, waren durchweg positiv. Mit 1-2 Ausreissern, in denen, wie zu erwarten kritisiert wurde, das Lena nicht DIE Sexarbeiterin repräsentieren könne, sie wäre ja privilegiert und so könne der Film ja kaum für Situation der Prostituierten in Deutschland herangezogen werden.

Stimmt… dachte ich. Und wurde kritisch und fragte mich: Macht so ein Film überhaupt Sinn? Hätte er nicht besser „Lena Morgenroth“ statt „Sexarbeiterin“ heißen sollen?

Jetzt ist es 2 Tage her, das ich den Film gesehen habe. Ich habe die ganzen Eindrücke erstmal alles sacken lassen. Und meine Antwort heute auf die Fragen lautet: Ja, der Titel ist absolut richtig und für den Film selbst ist es eigentlich egal ob man da nun Lena Morgenroth, Lieschen Müller oder Olga Ivanova in dem Film dargestellt wird.

Was Lena und Sobo Swobodnik zeigen wollten, war der Mensch in all seinen Facetten. Man sieht Lena morgens beim Müsli essen, beim einkaufen, beim essen kochen mit ihrer Schwester, mit Freunden beim Kaffee, beim Müll raustragen und eben auch bei der Sexarbeit.

Und genau das ist wohl der Knackpunkt und so wie Lena selbst in der anschließenden Fragerunde sagte ist es auch: Man bekommt hier bildlich vor Augen geführt, das sich SexarbeiterInnen nicht auf das EINE reduzieren lassen. Wir sind nicht nur Prostituierte. Wir sind Mutter, Schwester, Freundin oder  die Sitznachbarin in der Straßenbahn.

Wir alle führen ein normales Leben. Uns nur auf den sexuellen Akt zu reduzieren ist falsch und genau das ist auch ein Fehler in der momentanen Diskussion. Man will uns davor „schützen“ zu Objekten gemacht zu werden, aber in dem Moment wo man eben alles andere von uns ausblendet und uns nur als Prostituierte sieht, degradiert man uns zum Objekt.

So bringt dieser Film wunderbar die Denkmuster der Zuschauer ins wanken. Lena ist, man höre und staune, ein ganz normaler Mensch. Manchmal ein bisschen zu normal.. sie strickt sogar in ihrer Freizeit… wie langweilig 😀

Was ich auch gut finde ist, das der Film sehr schön den Sinn des Wortes „Sexarbeiterin“ veranschaulicht. Zu unserem Job gehört eben nicht nur der reine Sexakt.. dazu kommen noch Terminabsprachen, Planung, Vorbereitung, Bürokram, Wäschewaschen, putzen, und noch vieles mehr. Außerdem ist ja auch Sex unendlich vielfältig. Selbst wenn man, wie Lena, den reinen Geschlechtsverkehr ausschließt, gibt es noch unendlich viele Möglichkeiten, Sexualität auszuleben und sogar zum Höhepunkt zu kommen. Ich selbst biete zb. natürlich GV an, aber dafür käme für mich niemals die Analmassage in Frage, die Lena zu ihrem Service zählt 🙂 Man kann und sollte Sexarbeit aka Prostitution nicht auf den Geschlechtsverkehr reduzieren.
Sogar ich habe im Film mein Schubladendenken über „Massage-Tanten“ ablegen müssen *lach* Was Lena da während ihrer Massage an Intimität bietet ist weit mehr als ich meinen Kunden bei unseren Treffen gebe. Mein Service ist damit verglichen eher stinknormaler langweiliger Sex wie ihn wohl jeder zuahuse hat. Oft sogar nur ein Blowjob und das wars… 😀

Der Film selbst kommt mit ziemlich wenig Text aus. Die Szenen, in den gesprochen wird, sind selten. Was aber okay ist. Denn so kann sich eben jeder sein eigenes Bild machen ohne Worte dazu in den Mund gelegt zu bekommen. Natürlich hätte man hier und da wahnsinnig gern noch mehr erfahren oder weitere Infos gehabt. Viel zu oft ist eine Szene vorbei, wenn es gerade spannend wird. Aber das ist okay. Wir begleiten Lena ja nur ein paar Tage und bekommen deshalb natürlich nur einen kleinen Ausschnitt ihres Lebens zu sehen. Es war mucksmäuschenstill im Publikum die ganze Zeit… kein rascheln… der Film zieht einen in seinen Bann. Ob man will oder nicht 🙂 Sobo Swobodnik versteht seine Kunst wunderbar. Das Spiel mit schwarz/weiss, dazu noch hier und da die Schärfe verstellt und aus einem Wasserkocher wird ein wahnsinnig tolles Bild das spannende Dinge erzählt… die Liebe steckt im Detail.

Diskussion Film Sexarbeiterin

(von links nach rechts auf dem Podium: Astrid Gabb (Madonna e.V..), Sobo Swobodnik, Lena Morgenroth, Ulrike Rothe (Sexarbeiterin) und Mechthild Eickel, Moderation)

Wer Fragen hatte, konnte diese ja im Anschluss stellen. Und das haben die Zuschauer voll genutzt. Eine der Zuschauerinnen fand es schade, das zu wenig politisches in dem Film vorkommt. Man sieht Lena kurz bei einigen Veranstaltungen, im Radio und auch der Sexarbeitskongress in Berlin im Jahr 2015 ist in Ausschnitten zu sehen. (Übrigens auch die Szene mit Frau Högl von der SPD)
Klar ist das schade. Aber Lenas Antwort dazu fand ich sinnig: „Wir könnten nur über die politische Situation jetzt sprechen. Diese wird in ein paar Jahren aber sicher eine andere sein. Deswegen kommt nicht soviel davon in Film vor.“ (Nicht ganz O-Ton aber sinngemäß) Nun, hoffen wir das die Situation in ein paar Jahren eine andere (bessere!) ist.

Außerdem bemerkte Lena auch richtig, das sie nur über sich sprechen kann. Ulrike, eine Sexarbeiterin aus NRW, die ebenfalls an der Diskussionsrunde teilnahm, hätte wohl etwas ganz anderes zu sagen gehabt. Was uns aber alle vereint sind die Dinge des Alltags. Und genau das sind DIE Dinge, die die Öffentlichkeit immer ausblendet.

Ein Zuschauer fragte Lena, was für sie der Beweggrund für diesen Film war. Warum sie das hat machen wollen…
Lena antwortete, das es oft so ist, das wenn Leute erfahren das sie Sexarbeiterin ist, das ihr dann niemand mehr zuhört bzw das, was sie sagt, nicht mehr ernst genommen wird.

Sie hat nun also die wohl einmalige Chance genutzt und diese 90 Minuten Film lang das Wort… und jeder kann und sollte sich die Zeit nehmen und ihr zuhören bzw zusehen 🙂

PS: Ich gebe euch den Tipp, den Film unbedingt im Kino auf großer Leinwand auf euch wirken zu lassen. Er soll zwar bereits im Sommer auf DVD erscheinen, aber die großartigen Bilder sollte man sich doch im Kino gönnen. (Ich betone das, weil ich selbst sonst nicht so gern ins Kino gehe. Aber hier ist es definitiv angebracht!)

Kinotermine findet Ihr hier! 

Lena Morgenroth

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Sobo Swobodnik

Sobo Swobodnik

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