Brief an Manuela Schwesig

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Imperia

Imperia

Sehr geehrte Frau Ministerin Schwesig,

mit Befremdung habe ich in der Tagespresse von Ihrer Absicht erfahren, das so genannte „Prostituiertenschutzgesetz“ dergestalt zu verschärfen, dass sie die reglementierenden Maßnahmen auch auf so genannte „Gelegenheitsprostituierte“ ausweiten wollen.

Also auf Studentinnen, die ihr Studium mit erotischen Dienstleistungen finanzieren, auf Hausfrauen, die ihr Salär dadurch aufbessern, dass sie gelegentlich einen Gast empfangen und verwöhnen, und auf Frauen, die in Billiglohnbranchen arbeiten und einen Nebenerwerb brauchen, um über die Runden zu kommen. Alle diese Frauen wissen , was sie tun und sind garantiert KEINE Zwangsprostituierten. Sie könnten aber durch die von Ihnen geplante Zwangsregistrierung zu Zwangsprostituierten GEMACHT werden

Gnade Gott der jungen Ärztin oder der jungen Anwältin, bei der ruchbar wird, dass sie ihr Studium durch sexuelle Dienstleistungen finanziert hat. Ihre berufliche Karriere wird beendet sein, bevor sie überhaupt angefangen hat, und ihr wird keine andere Möglichkeit bleiben, als die, ihren bisherigen Nebenerwerb zum Hauptberuf zu machen, sofern sie es nicht vorzieht, mit irgendeinem Job der Billiglohnbranche ihr Brot zu verdienen oder die Flucht in die Ehe anzutreten.

Abgesehen von der unglaublichen Verschwendung menschlicher Ressourcen:

Ihr Plan ist ein Frontalangriff auf das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ALLER Frauen.

WIE wollen Sie feststellen, ob eine Frau, die in ihrer Wohnung Herrenbesuch empfängt, tatsächlich eine Gelegenheitsprostituierte ist? Vielleicht handelt es sich ja lediglich um eine Frau, die ihre Sexualität frei und selbstbestimmt auslebt und dabei natürlich auch wechselnde Sexualkontakte hat? Wollen Sie ALLE Frauen, deren Sexualleben nicht den kleinbürgerlichen Konventionen der Adenauer-Ära entspricht, unter Generalverdacht stellen?

Und WIE wollen Sie sicherstellen, dass es sich bei einer Frau, die mit einem Mann, der nicht IHR Mann ist, ein Hotelzimmer bucht, TATSÄCHLICH um eine Gelegenheitsprostituierte handelt? Wollen Sie den Hoteliers wieder wie zu Zeiten der Weimarer Republik die Sittenpolizei auf den Hals hetzen und in regelmäßigen Abständen Razzien durchführen lassen?

Sehr geehrte Frau Ministerin Schwesig:

Hatten SIE vor ihrer Verehelichung sexuelle Kontakte zu Männern, ohne sich gleich mit Heiratsgedanken zu beschäftigen? Ich frage ja nur…Und wie ist IHR Umfeld damals damit umgegangen? Hat man SIE argwöhnisch beäugt, Ihnen hinterhergeschnüffelt, Sie wohlmöglich verdächtigt, eine „Hobbyhure“ zu sein?

Wenn die lokalen Ordnungsbehörden tatsächlich die von Ihnen geplanten Regelungen umsetzen sollen, sind sie aufgrund der üblicherweise desolaten personellen Ausstattung auf „hilfreiche Hinweise aus der Bevölkerung „ angewiesen. Jeder denkende Mensch kann sich, ohne seine Phantasie zu bemühen, leicht vorstellen, was die Folgen sein werden.

Die deutsche Geschichte lehrt uns, dass das Denunziantenwesen in diesem unserem Lande immer sehr gut funktioniert hat.

Das war schon zu Zeiten von Metternich so.

Hoffmann von Fallersleben (der Dichter unserer Nationalhymne) reimte damals: „Der größte Lump im ganzen Land das ist und bleibt der Denunziant.“

Die Nazidiktatur hätte ohne die eifrigen Blockwarte nicht existieren können.

Und in dem Staatswesen, in dem Sie Ihre Kindheit verbracht haben, gab es ja auch diese nützlichen Zeitgenossen – die so genannten „ IM’s“. Bei meinem Besuch im STASI-Museum in Berlin habe ich gelernt, dass diese „IM’s“ eine unentbehrliche Stütze des Systems waren.

Wollen SIE den IM’s wieder eine Beschäftigungsgrundlage verschaffen, Frau Ministerin Schwesig?

Sehr geehrte Frau Ministerin Schwesig, Sie sind ja noch sehr jung… gestatten Sie daher einer erfahrenen Frau von 61 Jahren einen kleinen historischen Exkurs.

Wissen Sie, geehrte Frau Ministerin Schwesig, was es bedeutete, in der Bundesrepublik der Adenauerzeit jung zu sein? Damals regierte der Kuppeleiparagraph:

jeder Mensch, der einem unverheirateten Paar Obdach gewährte, damit sie „geschlechtlich mitinander verkehren konnten“(so nannte man das damals im Antsdeutsch) , riskierte eine Zuchthausstrafe von bis zu fünf Jahren!

Eltern von heranwachsenden Kindern, die den Freund der Tochter oder die Freundin des Sohnes in der gemeinsamen Wohnung übernachten ließen, standen faktisch mit einem Bein im Knast! Und um sie dorthin zu bringen, genügte schon der freundliche Hinweis eines „wohlgesonnenen Nachbarn“.

Die gleiche Strafe drohte Hauseigentümern, der eine Wohnung an ein unverheiratetes Paar vermieteten, der Zimmerwirtinnen die eine Frau mit gelegentlich wechselnden Sexualpartnern aufnahmen und deren Privatleben tolerierten und Hoteliers, die einem unverheirateten Paar ein Zimmer gaben. Auch hier genügte ein „hilfreicher Hinweis“ eines Nachbarn oder eines neidischen Konkurrenten, um sie zu ruinieren.

Der Kuppeleiparagraph war für unzählige Menschen – aber vor allem für junge Frauen – eine ständige Bedrohung, eine Quelle der Angst und des Leids.

1974 – also in dem Jahr in dem Sie geboren wurden, ist er ENDLICH von der damaligen Bundesregierung ersatzlos gestrichen worden!

Generationen von jungen Frauen sind dankbar, dass sie ihr Sexualleben frei und ungebunden leben dürfen – ohne Angst vor misstrauischen Vermietern, schnüffelnden Nachbarn und selbst ernannten Sittenwächtern.

Wenn SIE Ihren geplanten Krieg gegen die „Gelegenheitsprostituierten“ tatsächlich in die Tat umsetzen, ist damit Schluss. Denn Sie, verehrte Frau Ministerin Schwesig werden durch die von Ihnen geplanten Reglementierungen wieder ein gesellschaftliches Klima schaffen, dass genau wie in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts geprägt sein wird von Scheinheiligkeit, Prüderie, Muff und Schnüffelei , Spitzelwesen und Denunziantentum.

Sie stellen jede Frau die ihre Sexualität frei und auch mit wechselnden Partnern lebt, unter Generalverdacht . Ein beklagenswerter Rückschritt ins vorige Jahrhundert !

Ich hoffe, dass sich die jungen Frauen von heute gegen diese Zumutung wehren: dass ihnen unter dem Deckmäntelchen des angeblichen Schutzes von Prostituierten die Freiheit wieder genommen wird, die ihre Mütter und Großmütter erkämpft haben: ihr Sexualleben frei zu leben- ohne Einrede von selbst ernannten Sittenwächtern.

EINE Berufsgruppe allerdings wird Ihnen zu Dank verpflichtet sein: die Zunft der Rechtsanwälte – denn schaffen ihnen eine solide Existenzgrundlage. Denn Vermieter, Hoteliers und alleinstehende Frauen werden scharenweise vor Gericht ziehen, um sich aufgrund der mit Sicherheit eintretenden Flut von Denunziationen vom Verdacht der „Gelegenheitsprostitution“ oder der „Begünstigung von Prostitution“ reinzuwaschen.

Und auch die schon jetzt stark überbeanspruchten Justizbehörden werden sich sicherlich freuen über die Flut von Prozessen gegen üble Nachrede, in denen Frauen dazu gezwungen sein werden, ihr Privatleben offenzulegen.

Für mich persönlich ist mir nicht bange. Eine Frau in meinem Jahren kann es sich leisten, viele Tabus einer kleinbürgerlichen Sexualmoral, die jüngeren Frauen das Leben schwer machen, mit einem Lächeln zu übergehen. Und sie kann es sich erlauben, offen auszusprechen, was ihr nicht passt.

Aber ich bedaure die jungen Frauen, die demnächst wieder in einem Klima der Angst und des Misstrauens leben müssen. Und mir graut vor einer Gesellschaft, die geprägt ist von Heuchelei, Spitzelwesen und Denunziantentum – dem SIE mit Ihrem Krieg gegen die Gelegenheitsprostituierten Tür und Tor öffnen werden.

Hochachtungsvoll

Almuth Wessel M.A.

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